Hochschule C200 – nicht geschüttelt, nicht gerührt, sondern nur dünn
Es erscheint mir nicht ausreichend, hier auf diesem Blog nur meine Analysen darzustellen, vielmehr scheint es sinnvoll zu sein, auch nach außen aktiv zu werden. Daher habe ich den im folgenden aufgeführten Text verfasst, den ich gleich nach dem Posting hier dem Landrat und dem Oberbürgermeister von Traunstein per Email übersenden werde, sowie der Leitung der Homöo-Akademie und der örtlichen und überregionalen Presse. Die Mitglieder des Hauptausschusses des Stadtrats und des Kreisausschusses erhalten dieses Schreiben in den nächsten Tagen per Post.
Nun hat sich gezeigt, dass ich alleine wohl wenig ausrichten kann. Daher können Sie, lieber Leser, hier den Text als komprimiertes Word-Dokument (zip-Datei) herunterladen und als Grundlage für eigene Schreiben verwenden. Je mehr das tun, desto größer dürfte der Druck werden und desto eher kann diesem Unfug ein Ende gesetzt werden. Wenn Sie das tun wollen, würde ich mich über eine Nachricht per Email oder Kommentar zu dieser Seite sehr freuen.
———————————————————- Brieftext
Sehr geehrter Herr Landrat Steinmaßl,
sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Kösterke,
wie der Presse zu entnehmen ist, soll in Traunstein eine Akademie für Homöopathie entstehen, die eine Ausbildung auf Hochschulniveau anbietet. Die Absolventen sollen am Ende den ‚Bachelor of Science‘ verliehen bekommen, also einen akademischen Grad.
Ich erlaube mir, Sie auf folgende Umstände aufmerksam zu machen, die einem solchen Vorhaben entgegenstehen. Ich beziehe mich dabei auf die einschlägigen Informationen der Homöo-Akademie auf ihrer Webseite (21.03.2015: Link erloschen).
Traunstein liegt in Bayern, damit ist das bayerische Hochschulgesetz anzuwenden. Auch ohne ein Experte für Hochschulrecht zu sein, kann man diesem Gesetzestext das Folgende entnehmen:
Eine staatliche Anerkennung ist erforderlich
Aus Artikel 87, Satz 1 folgt, dass das Staatsministerium den Betrieb einer Einrichtung untersagen kann, die ohne staatliche Anerkennung akademische Grade verleiht. Satz 2 des gleichen Artikels lautet:
Mit Geldbuße bis zu einhunderttausend Euro kann belegt werden wer
-
…
- eine Einrichtung, die Aufgaben nach Art. 2 Abs. 1 wahrnimmt, ohne staatliche Anerkennung nach Art. 76 errichtet oder betreibt
- ohne staatliche Anerkennung nach Art. 76 … Hochschulstudiengänge durchführt, Hochschulprüfungen abnimmt oder akademische Grade oder Bezeichnungen, die akademischen Graden zum Verwechseln ähnlich sind, verleiht.
Das Führen eines solchen unrechtmäßig erworbenen Grades ist mit einer Strafe von bis zu fünftausend Euro belegt.
Um es noch einmal deutlich herauszustellen: Einen akademischen Grad darf nur eine staatliche Hochschule oder eine staatlich anerkannte Hochschule vergeben. Alle anderen machen sich strafbar. Das gilt auch dann, wenn der Titel nur mit einem akademischen Grad verwechselt werden kann. Die Strafbarkeit beginnt mit dem Zeitpunkt, an dem die nicht anerkannte Einrichtung ihren Lehrbetrieb beginnt.
Somit ist eindeutig: Diese Homöo-Akademie muss eine staatliche Anerkennung erreichen oder sie muss auf die Verleihung des akademischen Grades eines Bachelor of Science verzichten.
Personelle Anforderung der staatlichen Anerkennung
In Artikel 76 ist geregelt, welche Voraussetzung eine Bildungseinrichtung erfüllen muss, um in Bayern eine staatliche Anerkennung zu erreichen. In Satz 2 sind unter anderem aufgezählt:
Die staatliche Anerkennung kann erteilt werden, wenn
-
die finanziellen Verhältnisse des Trägers erwarten lassen, dass die notwendigen Mittel zum Betrieb der Hochschule und für eine staatlichen Hochschulen gleichwertige Ausbildung dauerhaft bereitgestellt werden kann,
-
eine Mehrzahl von Studiengängen vorgesehen ist, die zu einem ersten berufsqualifizierenden Abschluss führen; dies gilt nicht, wenn innerhalb einer Fachrichtung die Errichtung einer Mehrzahl von Studiengängen durch die wissenschaftliche Entwicklung oder das entsprechende berufliche Tätigkeitsbild nicht nahe gelegt wird.
- …
-
die Lehraufgaben der Hochschule überwiegend von hauptberuflichen Lehrkräften wahrgenommen werden und die Lehrenden die Einstellungsvoraussetzungen erfüllen, die für entsprechende Tätigkeiten an staatlichen Hochschulen gefordert werden,
-
die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der hauptberuflichen Lehrkräfte gesichert ist
-
…
-
…
Darüber hinaus dürfen nach Artikel 62 Prüfungsleistungen nur von Personen bewertet werden, die selbst mindestens die durch die Prüfung festzustellende oder eine gleichwertige Qualifikation besitzen, hier wäre das mindestens der Studienabschluss als Bachelor of Science.
Die Einstellungsvoraussetzungen für die an der Hochschule Lehrenden sind im bayerischen Hochschulpersonalgesetz geregelt. Die Anforderungen an das Lehrpersonal lassen sich einfach dahingehend zusammenfassen, dass ein abgeschlossenes Hochschulstudium eine generelle zwingende Voraussetzung für die Aufnahme der Lehrtätigkeit an einer Hochschule ist. Für die hauptamtlichen Lehrkräfte ist grundsätzlich eine Promotion erforderlich, eventuell kann die wissenschaftliche Qualifikation auch durch außergewöhnliche wissenschaftliche Leistungen nachgewiesen werden.
Nach dem gegenwärtigen Stand verfügt die Homöo-Akademie Traunstein über folgendes Lehrpersonal:
- eine Heilpraktikerin als Akademieleiterin und Dozentin
- eine promovierte Medizinerin als akademische Leiterin des Studiengangs, die offenbar allerdings keine Erfahrung aus dem Lehrbetrieb einer Hochschule mitbringt
- vier Leiter von ‚Fachbereichen‘, davon sind drei lediglich als Heilpraktiker qualifiziert, nur einer ist ein Dr. med.
- vier weitere Dozenten, drei davon Dr. med, der vierte ist Facharzt.
Nach Lage der Dinge ist man in den meisten Fällen mangels eigener akademischer Ausbildung nicht in der Lage, die mit der Verleihung eines Bachelor of Science verbundenen Prüfungen auch abzunehmen. Überhaupt ist generell ein Mangel an Qualifikation gegeben. Geht man davon aus, dass es sich bei den ‚Leitern‘ eher um die hauptamtlichen Lehrkräfte handelt als bei den ‚Dozenten‘, dann klafft eine schier unüberbrückbare Lücke zwischen den gesetzlichen Anforderungen an die Qualifikation und den tatsächlichen Gegebenheiten.
Der Eingangssatz, mit dem der Lehrkörper im Internet vorgestellt wird, zeugt von einer geradezu grotesken Ignoranz der Akademieleitung zu diesem Sachverhalt
‚Es ist uns gelungen, ein Dozententeam zusammenzustellen, das seinesgleichen sucht‘
Dem ist nichts hinzuzufügen.
Aufgaben als Hochschule
In Artikel 2 des Hochschulgesetzes sind die Aufgaben einer Hochschule umrissen:
…
Die Fachhochschulen vermitteln durch anwendungsbezogene Lehre eine Bildung, die zur selbständigen Anwendung wissenschaftlicher Methoden (…) in der Berufspraxis befähigt. Im Rahmen der vorhandenen Ausstattung führen sie anwendungsbezogene Forschungs- und Entwicklungsvorhaben durch.
…
Soweit ersichtlich, ist die Homöo-Akademie weder personell noch sachlich auch nur im Mindesten in die Lage versetzt, Forschungsvorhaben durchzuführen. Angaben zu Forschungsaktivitäten fehlen ganz. Die Träger wären verpflichtet, die finanziellen und personellen Mittel hierfür bereitzustellen. Soweit ersichtlich, ist noch nicht einmal eine wissenschaftliche Bibliothek mit den wesentlichen Fachbüchern und Monographien vorhanden.
Folgen
Spätestens mit Empfang dieses Briefes muss der Leitung der Akademie bekannt sein, bzw. sie muss sich veranlasst sehen, sich die nötige Einsicht zu beschaffen, dass ihr Tun nicht zu einem von ihr beworbenen akademischen Grad führen kann. Sollte das Angebot dennoch aufrecht erhalten werden und es in Kenntnis dieser Gegebenheiten zu Vertragsabschlüssen kommen, sind die Merkmale des Straftatbestandes des Eingehungsbetrugs erfüllt. Dann wäre es Zeit, die Staatsanwaltschaft einzuschalten.
Zusammenfassung
Die in der Homöo-Akademie vorgehaltene Qualifikation und Ausstattung reicht auf keinen Fall aus, das Studium dort als eines auf ‚Hochschulniveau‘ zu bezeichnen. Bereits der Beginn des Lehrbetriebes, wenn er zur Verleihung des ‚Bachelor of Science‘ führen soll, kann eine strafbare Handlung darstellen, Vertragsabschlüsse erfüllen den Tatbestand des Eingehungsbetrugs.
Es muss sogar bezweifelt werden, ob denn überhaupt eine fachliche Ausbildung möglich ist, die den Absolventen eine Tätigkeit wenigstens als Heilpraktiker gestatten würde. Selbst dafür erscheint das Angebot der Homöoakademie zu dilettantisch aufgebaut. Nach den Angaben umfassen nur zwei der drei zu lehrenden Fächer bereits 1940 Stunden. Die festgelegte Anwesenheitszeit von 72 Tagen pro Jahr, in drei Jahren somit 216 Tage, wäre damit bereits mit neun Stunden pro Tag belegt. Wo bleibt das dritte Fach? Ein sinnvoller Lehrbetrieb ist damit ausgeschlossen.
Aus dieser Sichtweise ist jetzt Ihr Handeln erforderlich.
So, wie es sich jetzt abzeichnet, wird die Homöo-Akademie wohl kaum bis zur Aufnahme des Lehrbetriebes im März 2014 eine Akkreditierung als staatlich anerkannte Hochschule erreichen können. Sofern dennoch der Lehrbetrieb aufgenommen wird, begeht man eine Straftat. Der beworbene akademische Grad darf am Ende nicht verliehen werden, anderenfalls begeht man ebenfalls eine Straftat.
Die jungen Leute, an die sich das Angebot der Akademie richtet – Abiturienten, Fachschüler – dürften kaum in der Lage sein, die Fragwürdigkeit des Angebots zu erkennen. Diese wären am Ende die Hauptleidtragenden. Neben dem nicht unerheblichen finanziellen Einsatz investieren sie drei Jahre ihres Lebens in eine unnütze Ausbildung. Das Führen des auf diese Weise in Traunstein erworbenen akademischen Grades wäre am Ende auch noch eine Straftat.
-
Wollen Sie, dass Traunstein in ein paar Jahren durch eine Reihe von Klagen auf Schadensersatz die Aufmerksamkeit der Presse erregt?
-
Wollen Sie, dass die bayerische Staatsregierung eingreift und dem Unfug, dem Sie noch Beifall gezollt haben, ein unrühmliches Ende bereitet?
-
Wollen Sie, dass Traunstein zum Gespött der akademischen Welt wird, zum Musterfall, wie die lokale Politik die Realität zugunsten von vermeintlichem Prestige, ein paar Arbeitsplätzen und Übernachtungszahlen nicht wahrnehmen wollte?
- Welche Folgen es für Sie persönlich haben könnte, bei einer sich anbahnenden Straftat nicht einzugreifen, sei einmal offengelassen.
Ich denke, Sie wissen besser als ich, welche Möglichkeiten Sie haben, um das Desaster zu verhindern, und was jetzt zu tun ist.
Für Rückfragen stehe ich Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Weiterer Verteiler:
– Homöo-Akademie Traunstein
– örtliche und überregionale Presse
– Blog Beweisaufnahme in Sachen Homöopathie
———————————————- Ende des Brieftextes.
Quellen:
Bayerisches Hochschulgesetz: Link
Bayerisches Hochschulpersonalgesetz: Link
Derzeit ist in Traunstein noch Wahlkampf wegen einer Stichwahl in einer Wochen zwischen OB Kösterke von den freien Wählern und seinem Herausforderer Herrn Kegel von der SPD
Deshalb war Herr Kösterke heute am Stand der freien Wähler und ich habe ihn auf die Homöoakademie angesprochen. Er meinte, dass es auch in der Schulmedizin verschiedene Meinungen gibt und die Wissenschaftlichkeit bei einer Zulassung der Hochschule in Ordnung sei. Er tut auch so, wie wenn die Hochschule ihm nichts zu tun hat, wobei ich darauf hingewiesen habe, dass er auf deren Homepage zitiert wird.
Ich glaube aber doch, dass es auf Ihn einen gewissen Eindruck macht, wenn er merkt, dass in TS nicht alle bei Homöopathie Hurra schreien.
Herr Kegel wäre auch interessant, da dieser auch bei Wahlverlust im Stadtrat
sein wird und Lehrer an einem Gymnasium ist, wobei ich davon ausgehe, dass die Homöoakademie bei Abiturienten Reklame machen wird!
Viele Grüße aus Traunstein
Michael Bauer
Pingback: Feuerwächter » Hogwarts an der Spree: Steinbeis-Hochschule Berlin
Pingback: Neues von der Homöo-Akademie @ gwup | die skeptiker
…..Ich selbst bin dafür eine ärztliche Weiterbildung zum Facharzt für Homöpathie und Naturheilverfahren einzuführen….
Davon wird die Homöopathie aber nicht wirksam!
Lediglich der Placeboeffekt kann verbessert werden für Personen, die am Ansehen der Ärzte hängen, mehr nicht.
Bitte nicht böse sein, aber ihr Argument ist doch nicht wenig naiv!
Pingback: Feuerwächter » Homöo-Akademie Traunstein: Dr. med. Wiebke Lohmann
Sehr schön!
Ich bin sehr gespannt, wie es weitergeht. Sicher will niemand die Argumente hören, aber verschließen dürfte man sich ihnen auch nicht. Ich vermute, man wird schnell und leise Gras über den akademischen Grad wachsen lassen.
Pingback: “Hochschule C200″: Protest gegen die Homöo-Akademie in Traunstein @ gwup | die skeptiker
Hallo Herr Brunke,
den ersten 80 % Ihres Beitrages stimme ich voll zu und freue mich darüber.
Bei den letzten 20 % ist das zwar anders, aber dennoch….
Zitat: „Es muss sogar bezweifelt werden, ob denn überhaupt eine fachliche Ausbildung möglich ist, die den Absolventen eine Tätigkeit wenigstens als Heilpraktiker gestatten würde.“
Unter der Voraussetzung, dass Ihre Recherchen stimmen, klingt das alles nicht vertrauensvoll. Um eine Prüfung als Heilpraktiker zu absolvieren, bedarf es keiner Hochschule, sondern lediglich der Prüfung vor dem Amtsarzt.
Wer den Titel Hochschule führen will, sollte auch den Nachweis erbringen müssen, dass die vermittelten Ausbildungsinhalte von kompetenten Lehrkräften erbracht wird und mit anderen Hochschulen in Deutschland vergleichbar sind.
Ich selbst bin dafür eine ärztliche Weiterbildung zum Facharzt für Homöpathie und Naturheilverfahren einzuführen. Eine Heilpraktikerausbildung bietet dafür keine ausreichende Grundlage.
Hallo Herr Aust,
theoretisch müßte das alles den Beteiligten bekannt sein, aber man will halt mit dem Kopf durch die Wand…
Gab auch schon dazu Anfragen an den Bildungsministerium in Berlin:
http://chiemgaugemseneier.wordpress.com/2012/06/28/hogwarts-an-oder-und-traun-kritik-an-parastudiengangen/
Auch das bayer. Hochschulgesetz und den Bologna-Prozess hat sich diebezüglich schon jemand angesehen:
http://dieausrufer.wordpress.com/2012/03/18/die-hohe-schule-der-verwirrung/
Bis jetzt gab es von den Beteiligten, dem Landrat, dem Kreistag und der Stadt Traunstein keine rechtlich profunde Stellungnahme.
So gesehen ein guter Schritt, nun kann man nicht mehr so tun, als ob man keine Ahnung mehr hätte… Jetzt muß man antworten!
sorry 😉
Die zwei Punkte vor dem @ sind nicht richtig. Ich habe dies zwar so im Impressum stehen, aber mit dem Hinweis, diese Punkte wegzulassen, wenn man mir eine Mail schickt. Das soll automatische Spammer vermeiden. Dann sollte es funktionieren.
ja, ich bekam folgenden Hinweis (kann aber meinerseits keinen Fehler finden):
Recipient address: dr.norbert.aust@t-online.de
Reason: Remote SMTP server has rejected address
Diagnostic code: smtp;550-5.1.1 user unknown Unknown recipient.
Danke. Der Link sollte jetzt funktionieren.
War das eine Email an mich, die nicht ging?
ich wollte soeben das zip-file in Sachen Homöo-„Akademie“ herunterladen – der link aber führt zu einem „Not Found“.
Ein kleiner Tippfehler ist mir noch aufgefallen:
bei den Quellenangaben steht: Bayerisches Hoschulgesetz: Link
(ich denke, das sollte „Hochschulgesetz“ heissen.)
Und da eine Email auch unzustellbar zurückkam, lande ich nun doch in den Kommentare. Alles Gute für Ihr/unser Vorhaben!