Antwort des BR zu meinem Brief über die ADHS-Untersuchung Freis

In meinem Brief vom 8. 5. 2013 hatte ich dem Bayerischen Rundfunk die Ergebnisse meiner Analyse zur Arbeit Freis zum Thema ADHS mitgeteilt und meine Kritikpunkte an der Sendung des BR vom 23. 4. 2013 dargestellt. Der stellvertretende Intendant, Herr Professor Dr. A. Hesse, hat mir heute geantwortet, hier kann der volle Wortlaut eingesehen werden.

Als Antwort habe ich den folgenden Brieftext an den Bayerischen Rundfunk verfasst. Es wäre sicher hilfreich, wenn möglichst viele Leser sich ähnlich an den BR wenden würden.  

Sehr geehrter Herr Professor Dr. Hesse,

zuerst möchte ich mich für Ihre ausführliche Antwort vom 24. 5. 2013 bedanken, in der Sie zu einigen Punkten meines Schreibens vom 8. 5. 2013 zur Sendung des BR über Homöopathie Stellung nehmen. Ich erkenne sehr wohl die hohe Bedeutung, die Sie der Angelegenheit beimessen. Dennoch kann ich mich in einzelnen Punkten nicht Ihrer Meinung anschließen und möchte nochmals zu bedenken geben, ob der Bayerische Rundfunk seiner Aufgabe, als öffentlich-rechtlicher Fernsehsender die Zuschauer objektiv zu informieren, in angemessenem Umfang nachgekommen ist.

Wenn die Sendung am 22. 4. tatsächlich die Rechtfertigung für weitere Forschung auf dem Gebiet der Homöopathie hinterfragen wollte, dann ist dies nicht richtig zum Ausdruck gekommen, ebensowenig die Absicht, Freis Studie zum ADHS lediglich als Beispiel dafür heranzuziehen, dass auch die Nichtwirkung letztendlich nicht nachweisbar sei. Durch die Überleitung vom vorherigen Bericht, den dargestellten und unhinterfragten Inhalt selbst und die Abmoderation wird diese Absicht nicht erkennbar. Die Sendung ist Vergangenheit und kann nachträglich nicht mehr geändert werden. Für zukünftige Sendungen zu kontrovers diskutierten Themen wäre es allerdings wünschenswert, wenn die Position des Bayerischen Rundfunks für den Zuschauer deutlicher erkennbar herausgearbeitet werden würde.

Ihrer Darstellung, dass das ‚Quick Review‘ des Lancet eine Aussage zur Qualität der Studie beinhaltet, kann ich zwar prinzipiell folgen, ich komme aber zu einer Schlussfolgerung, die der Sichtweise des BR glatt widerspricht. Ich erlaube mir, aus der Autoreninformation des Lancet zum Reviewprozess zu zitieren [1]:

‚On submission to The Lancet, your report will first be read by one or more of the journal’s staff of physicians and scientists. Our acceptance rate overall is about 5 % and it is an important feature of our selection process that many papers are turned away on the basis of an in-house assessment alone. The decision will be communicated quickly.‘

Sie verweisen mit Recht darauf, dass die Crossover-Phase eigentlich das Kernstück der Studie darstellt, in dem der Nachweis der Wirksamkeit geführt werden sollte. Dieser Teil ist aber den Forschern insofern misslungen, als drei von den vier Armen dieses Tests Ergebnisse geliefert haben, die einer Wirksamkeit der homöopathischen Arzneien vollkommen widersprechen. Frei musste zur Erklärung auf zwei gruppenspezifische Effekte ausweichen, die sich gegenseitig widersprechen und für deren Existenz es in der Studie keine Anhaltspunkte gibt. Darüber wurde in der Fernsehsendung nicht berichtet, es wurde stattdessen sogar ein falsches Diagramm im Bild gezeigt (ab t = 14,35), das nicht das tatsächliche Ergebnis des Versuchs wiedergibt, sondern im Gegenteil darstellt, was zu erwarten gewesen wäre, wenn die Arzneien eine Wirkung gezeigt hätten. Dies ist eine deutliche Falschinformation.

Dass der Nachweis der Wirksamkeit stattdessen dadurch erfolgt sei, dass erst nach einem dritten oder vierten Versuch ein positives Ergebnis erzielt wurde, ist in der Studie nicht beschrieben und wäre wohl kaum ein tragfähiger nachvollziehbarer Beweis. Oder ist es ein Beweis, dass man mit Beschwörungstänzen Regen machen kann, wenn es nach wiederholten Versuchen tatsächlich irgendwann einmal regnet?

Ob und in welchem Ausmaß die von mir angeführten Wirkungsmechanismen das positive Ergebnis herbeigeführt haben könnten, ist in der Tat weder im positiven noch im negativen Sinn zu beurteilen. Aber die Autoren haben diese Wirkungen auch nicht ausgeschlossen, weder durch die Versuchsführung noch in der Darstellung in der Veröffentlichung, sie haben einfach keine Informationen hierzu geliefert. Daher können die Verbesserungen während der unverblindeten Einnahme nicht zwangsläufig auf eine Wirkung der Arzneien zurückgeführt werden. Den Autoren der Studie war sicher bekannt, dass um die Wirksamkeit der Homöopathie sehr kontrovers diskutiert wird. Dann wäre es ihre Aufgabe gewesen, alle Zweifel an ihrem positiven Ergebnis auszuräumen. Wie diskutiert, ist das in keiner Weise gelungen.

Ich möchte noch zu bedenken geben, dass es keine wissenschaftliche Studie gibt, aus der eine positive Wirkung der Homöopathie bei ADHS hervorgeht. Stellvertretend möchte ich den Cochrane-Report [2] zitieren, der die bekannte Studienlage aktuell zusammenfasst und in den auch Freis Ergebnis eingeflossen ist:

‚Plain Language Summary:
This review aimed to assess the evidence for homeopathy as an intervention for attention deficit/hyperactivity disorder. Four trials were retrieved and assessed with mixed results. Overall the results of this review found no evidence of effectiveness for homeopathy for the global symptoms, core symptoms or related outcomes of attention deficit/hyperactivity disorder.‘

Ich möchte meine Frage aus meinem Schreiben vom 8. 5. wiederholen, ob es nicht angezeigt wäre, dass der BR prüft, ob eine Gegendarstellung zumindest zu dem Teil der Fernsehsendung notwendig ist, der Informationen zur homöopathischen Therapie von ADHS enthält, die für den Zuschauer nur sehr schwer – eigentlich gar nicht – als unzutreffend erkennbar sind. Ansonsten könnte der BR für gesundheitliche Schäden an Kindern, die auch in das Erwachsenenalter hineinreichen können, und dem Unglück ganzer Familien zumindest moralisch mitverantwortlich sein.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Norbert Aust

 

[1] http://www.thelancet.com/lancet-information-for-authors/how-the-lancet-handles-your-paper

[2] Coulter MK, Dean ME. Homeopathy for attention deficit/hyperactivity disorder or hyperkinetic disorder. Cochrane Database of Systematic Reviews 2007, Issue 4. Art. No.: CD005648. DOI: 10.1002/14651858.CD005648.pub2.

 

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8 Antworten zu Antwort des BR zu meinem Brief über die ADHS-Untersuchung Freis

  1. Pingback: 75. Artikel in der Homöopedia: Der TV-Beitrag, mit dem vor sieben Jahren alles begann | gwup | die skeptiker

  2. borstel sagt:

    Aus Spass an der Freud‘ mal die Verlinkung der Sendung bei Youtube (man beachte bitte die unfreiwillig komische Untertitelung, welche sicherlich nicht vom Originalbeitrag stammt). Und siehe da, auch die Klinik S. croce mit dem Herrn W.Urster ist mit von der Partie, die Wasserlinsen, Frau Koll. Kruse aus der schönen Stadt jenseits des Weißwurstäquators – alle hier im Blog widerlegt.
    https://www.youtube.com/watch?v=LjhFjqjiT2w

  3. Pingback: Homöopathie wirkt auch dann nicht, wenn man ihr einen Preis verleiht … @ gwup | die skeptiker

  4. Norbert Aust sagt:

    @ erik: der Link müsste jetzt wieder gehen. Beim letzten Update war da wohl etwas schief gelaufen.
    @monika:
    Es wird Sie überraschen, wenn ich sage, dass ich nicht so sehr ‚gegen die Homöopathie‘ kämpfe sondern eher ‚für sachliche Information‘. In diesem Sinne ist mein Briefwechsel mit dem BR zu verstehen: die in der Sendung verbreiteten Informationen zu Homöopathie und ADHS sind falsch. Dies kann unter den gegebenen Umständen weitreichende negative Folgen für die Betroffenen haben. Wenn jemand aber in voller Kenntnis darüber, dass es keine Nachweise dafür gibt, dass Homöopathie bei ADHS etwas bewirkt, es trotzdem mit der Homöopathie versuchen will – bitte, wir sind ein freies Land. Letztendlich kann man nicht wissenschaftlich begründen, dass die Homöopathie nicht wirken kann, wohl aber, dass die bisherigen Erklärungen nicht stichhaltig sind und eine Wirkung (bisher) nicht nachgewiesen ist.
    Die Beweislast, dass Homöopathie eine wirksame Therapie sei, liegt aber bei deren Verfechtern. Es muss ein positiver Nachweis erbracht werden, dass Homöopathie wirkt. Daraus, dass die Unwirksamkeit nicht nachweisbar ist, kann man eben nicht schließen, dass sie wirksam sein muss, wir nur noch nicht wüssten, auf welche Art und Weise.

  5. erik sagt:

    Sehr geehrter Herr Aust,

    ich habe mich ebenfalls über den besagten „Wissenschaftsbeitrag“ im BR geärgert und (leider erst heute) eine Beschwerde verschickt.
    Leider ist die Antwort des BR im obigen Beitrag nicht mehr verlinkt (Fehler 404), weswegen ich frage, ob sie mir die Antwort anderweitig zur Verfügung stellen können (per Mail?)?

    Gruß in einfacher, kritischer Bürger

  6. monika sagt:

    Schön dass es Leute gibt die den Kampf gegen die Hydra aufnehmen.

    Auf einen guten Bericht kommen immer wieder 10 “ Reißer“.

    Viel Glück.

  7. Irene Zacher sagt:

    Sehr geehrter Dr. Norbert Aust,

    in Namen aller ADSler und deren Kinder herzlichen Dank für Ihre Arbeit!

    Irene Zacher

  8. Pingback: Bayerisches Fernsehen und Homöopathie – die dritte @ gwup | die skeptiker

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