Zusammengefasst
In diesem Artikel wird über die Antworten auf unsere Briefaktion berichtet, mit der wir Adressaten aus Gesundheitspolitik und Verbraucherschutz befragt hatten, ob sie Konsequenzen aus dem kürzlich ergangenen Urteil der US-amerikanischen Wettbewerbsbehörde zur Kennzeichnung von Homöopathika ableiten.
Zusammengefasst als Strichliste:
- Wir sind nicht zuständig: IIII
- Wir sehen keinen Handlungsbedarf: I
- Wir werden uns damit beschäftigen: I
Rücklaufquote: 6 / 134 = 4,5 %
Stand: 20.01.2017
Anmerkungen:
Im Einzelfall ist der Hinweis auf die mangelnde Zuständigkeit für die Gesetzgebung sicher berechtigt. Die gesetzgeberischen Kompetenzen sind klar geregelt. Wir hatten aber danach gefragt, ob die jeweilige Institution irgendwelche Aktivitäten anregen wird, ein Schritt, der soweit bekannt, allen den angesprochenen Institutionen offen steht.
Die (bisher) einzige Antwort, dass man keinen Handlungsbedarf sehe, kommt übrigens aus dem Bundesgesundheitsministerium (s. Antwort 6). Hier hat man offenbar nicht verstanden, dass Homöopathiefirmen Wege gefunden haben, das Heilmittelwerbegesetz zu unterlaufen.
In der nächsten Woche werde ich die Adressaten, die sich noch nicht geäußert haben, an unseren Brief erinnern.
Hintergrund
Bekanntlich hat die US-amerikanische Wettbewerbsbehörde (Federal Trade Commission – FTC) im November 2016 den Beschluss gefasst, Homöopathika müssten beim Verkauf in den USA mit einem Hinweis gekennzeichnet sein, dass eine Wirksamkeit der Mittel bislang nicht nachgewiesen worden ist. (Es bleibt allerdings abzuwarten, ob der Beschluss der FTC auch in einer Trump-Administration Bestand hat, die ja ein eigenes Verhältnis zu Fakten zu haben scheint.)
Die hiesigen Homöopathenverbände waren recht schnell dabei, zu betonen, dass die Situation in Deutschland völlig anders sei und man den Beschluss aus USA folglich nicht übertragen könne (beispielsweise hier).
Unsere Stellungnahme des INH („Informationsnetzwerk Homöopathie“) findet sich hier.
Bei eingehender Betrachtung zeigt sich in der Tat, dass die Gegebenheiten in den USA völlig anders sind, denn in den USA unterliegen Homöopathika keinem Apothekenzwang und werden im Supermarkt angeboten. Also ohne dass der Kunde auch nur im Entferntesten mit einer Institution des Gesundheitswesens in Berührung käme. Daher ist es auch die Wettbewerbsbehörde, die eingeschritten ist, denn eine unwahre Behauptung einer gesundheitlichen Wirkung der Präparate wäre weniger ein medizinisches Problem, sondern viel mehr ein ungerechtfertigter Wettbewerbsvorteil.
Eine Betrachtung der Situation in Deutschland zeigt, dass die Täuschung des Verbrauchers über die Natur homöopathischer Präparate wesentlich durchgängiger und umfassender ist als es in den USA je der Fall war. Unterstützt vom gesamten Wissenschaftsrat der GWUP (Gesellschaft für die wissenschaftliche Untersuchung von Parawissenschaften) habe ich daher einen Brieftext verfasst, in dem diese Situation dargelegt wird. Dies mündete in die Frage, ob hierzulande die Notwendigkeit gesehen wird, ebenfalls in diese Richtung tätig zu werden (siehe auch hier).
Adressaten
Dieser Brief wurde an insgesamt 134 Adressaten per Email versandt:
- Bundesinstitut für Arzneimittel
- Bundesamt für Verbraucherschutz
- Bundesinstitut für Risikobewertung
- Verbraucherzentralen der Länder sowie der Bundesverband
- die für die Gesundheit zuständigen Minister des Bundes und der Länder
- die Vorsitzenden und ggf. deren Stellvertreter der Gesundheitsauschüsse im Bundestag und den Landesparlamenten
- die für die Gesundheitspolitik zuständigen Sprecher der Fraktionen im Bundestag und den Länderparlamenten, sofern nicht in anderer Funktion bereits angeschrieben
Insgesamt ist dies eine Auswahl von Instituten und Funktionsträgern, die dem ersten Anschein nach das Wohlergehen des Verbrauchers bzw. der Bürger im Blickfeld haben könnten – jedoch ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
Brieftext
— Zitat
Kennzeichnung von Homöopathika
[Anrede]
wie in den Medien berichtet wurde, hat die US-amerikanische Wettbewerbsbehörde kürzlich entschieden, dass Homöopathika in den USA durch einen zusätzlichen Hinweis gekennzeichnet werden müssen. Die Verbraucher sollen damit eindeutig und unmissverständlich darauf aufmerksam gemacht werden, dass für die Wirksamkeit von Homöopathika weder ein sinnvolles Erklärungsmodell noch eindeutige Nachweise einer Wirksamkeit vorliegen. Die Federal Trade Commission (FTC) möchte damit sicherstellen, dass die Verbraucher ihre Kaufentscheidung aufgrund objektiv zutreffender Sachverhalte fällen können.
Dass es für Homöopathika keinen Nachweis einer Wirkung gibt, hat zuletzt die australische Gesundheitsbehörde 2014 in einer sehr umfangreichen Übersichtsarbeit festgestellt. Dass es keine befriedigende Modellvorstellung einer Wirksamkeit gibt, ist selbst unter Homöopathen unbestritten.
Wir, das Informationsnetzwerk Homöopathie, würden von Ihnen als [Stellung_2] [Organisation] gerne wissen, ob Sie dies zum Anlass nehmen werden, in Deutschland ähnliche Schritte anzuregen. Aus unserer Sicht wäre dies dringend geboten, denn die Täuschung der Verbraucher über die wahre Natur homöopathischer Zubereitungen ist hierzulande wesentlich wirkungsvoller als in den USA oder in Australien:
- Im Arzneimittelgesetz ist festgelegt, dass Homöopathika als Arzneimittel ohne jeden Wirkungsnachweis registriert und damit marktfähig werden können. Alleine die Angaben auf den Verpackungen (“ Registriertes homöopathisches Arzneimittel … Apothekenpflichtig … Arzneimittel für Kinder unzugänglich aufbewahren“) suggeriert dem Kunden eine Wirksamkeit, auch wenn auf dem Beipackzettel keine Indikation angegeben wird.
- Hersteller von Homöopathika unterlaufen das Verbot aus § 5 Heilmittelwerbegesetz, wonach nicht mit den Anwendungsgebieten der Präparate geworben werden darf, indem sie nicht nur Ärzte, Apotheker, Heilpraktiker, Hebammen in der Anwendung von Homöopathika schulen, sondern auch entsprechende Vorträge für ein Laienpublikum sponsern und Webseiten im Internet mit entsprechendem Inhalt präsentieren.
- In den Printmedien werden, so berichtete kürzlich Spiegel online, in großem Umfang vermeintliche redaktionelle Beiträge lanciert, die die Vorzüge und Anwendungsgebiete homöopathischer Mittel beschreiben.
- Das im Heilmittelwerbegesetz verfolgte Ziel, den Patienten vor Fehlentscheidungen beim Arzneimittelgebrauch zu bewahren, wird damit vollkommen ausgehebelt. Zusammen mit der in großem Umfang vorhandenen Ratgeberliteratur wird die Kenntnis über Anwendung der jeweiligen Mittel in der Bevölkerung verbreitet, auch ohne dass es dazu einer Angabe auf oder in der Packung bedarf.
- Dass die Krankenkassen vermehrt im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung die Kosten einer homöopathischen Therapie übernehmen, die Universitäten Lehrveranstaltungen zur Homöopathie anbieten und die Ärztekammern die Zusatzbezeichnung ‚Homöopathie‘ vergeben, muss die Patienten zur Überzeugung führen, die Homöopathie sei eine wirkungsvolle Therapie – sonst würden diese Dinge ja sicher nicht geschehen.
- Homöopathisch arbeitende Ärzte behaupten in ihren Werbeaussagen, die Homöopathie sei bei allen Krankheitsbildern einsetzbar, würde ja sogar auch dann erfolgreich eingesetzt, wenn die konventionelle Medizin am Ende ihrer Möglichkeiten angelangt sei.
In Deutschland herrscht demnach eine für den Kunden wesentlich undurchsichtigere Situation als in den USA vor, die verhindert, dass man den Stellenwert der Homöopathie zutreffend einschätzen kann. Dies gilt nicht nur für den Kauf homöopathischer Präparate als vermeintlich wirksame Arzneimittel, sondern auch bei der Entscheidung für homöopathische Therapien bei schwereren Erkrankungen. Der finanzielle Schaden, Geld für ein wirkungsloses Mittel bzw. eine fragwürdige Therapie ausgegeben zu haben, ist dabei vermutlich gegenüber dem gesundheitlichen Risiko eher das kleinere Problem.
Wir alle verfolgen das Ziel des mündigen Bürgers, der aufgrund seiner Kenntnis des tatsächlichen Sachverhalts in der Lage ist, Risiken zutreffend einzuschätzen und in seinen Entscheidungen angemessen zu berücksichtigen. Daher bitten wir Sie um Auskunft, ob und gegebenenfalls welche Schritte Sie bezüglich der Homöopathie unternehmen werden, dies zu unterstützen.
Mit freundlichen Grüßen
Norbert Aust, Edzard Ernst, Natalie Grams, Amardeo Sarma, Norbert Schmacke für das INH
sowie der gesamte Wissenschaftsrat der GWUP
— Zitatende
Antworten:
Antwort 1:
Der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses des Landtages Mecklenburg-Vorpommern antwortet schon am 20.Dezember 2016:
Sehr geehrter Herr Dr.-Ing. Aust,
vielen Dank für Ihre E-Mail vom 19. Dezember 2016, in der Sie um Mitteilung bitten, ob die in den USA eingeführte Kennzeichnungspflicht für Homöopathika als Anlass genommen wird, auch in Deutschland ähnliche Schritte einzuleiten.
Der Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Gesundheit des Landtages Mecklenburg-Vorpommern hat sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht mit der von Ihnen angesprochenen Thematik befasst.
Im Übrigen obliegt dem Bund die Gesetzgebungsbefugnis im Bereich des Rechtes der Arzneien, der Medizinprodukte und der Heilmittel gemäß Artikel 74 Absatz 1 Nr. 19 des Grundgesetzes.
Mit freundlichen Grüßen
Dietmar Eifler
Quintessenz: „Wir sind nicht zuständig.“
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Antwort 2:
Der Präsident des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit antwortet ebenfalls schon am 20.12.2016:
Sehr geehrte Damen und Herren,
Herzlichen Dank für Ihre Mail und Ihr Interesse. Leider sind wir für Zulassungen im Humanbereich nicht zuständig. Soweit Sie die deutsche Zulassungsbehörde für Humanarzneimittel ansprechen möchten, darf ich Sie an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in Bonn verweisen.
Mit freundlichen Grüßen
H. Tschiersky
Quintessenz: „Wir sind nicht zuständig.“
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Antwort 3:
Stellvertretender Fraktionsvorsitzender der FDP und Ausschussmitglied für Soziales und Integration im Landtag von Baden Württemberg antwortet am 23.12.2016:
Sehr geehrter Herr Dr. Aust,
sehr geehrte Damen und Herren,
vielen Dank für Ihre Nachricht, in der es Ihnen um die Kennzeichnung von Homöopathika mit dem Hinweis, dass für die Wirksamkeit von Homöopathika weder ein sinnvolles Erklärungsmodell noch eindeutige Nachweise einer Wirksamkeit vorliegen.
Ihre Fragestellung tangiert einen Bereich der Gesetzgebungsbefugnis des Bundes.
Ich hoffe, die FDP wird ab Herbst 2017 wieder im Bundestag vertreten sein, damit die Thematik an geeigneter Stelle aufgenommen werden kann.
Mit freundlichen Grüßen
Jochen Haußmann MdL
Quintessenz: „Wir sind nicht zuständig.“ (… würden es aber gern wieder werden!)
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Antwort 4:
Aus dem Gesundheitsministerium von Nordrhein-Westfalen erhielt ich ein auf den 9. Januar 2017 datiertes Antwortschreiben per Post:
Sehr geehrter Herr Dr. Aust,
vielen Dank für Ihre Mail vom 19. Dezember 1016 an Frau Ministerin Steffens, mit der Sie auf die neuen Kennzeichnungsregeln für Homöopathika in den USA hinweisen und um Auskunft bitten, welche Schritte hinsichtlich ähnlicher Regelungen in Deutschland vom Landesgesundheitsministerium Nordrhein-Westfalen unternommen werden. Frau Ministerin hat mich gebeten, Ihnen zu antworten.
Nach Artikel 74 Absatz 1 Nr. 19 Grundgesetz ist das Recht der Arzneien Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes. Die Werbung für Arzneimittel ist bundesgsetzlich im Heilmittelwerbegesetz (HWG) und die Kennzeichnung von homöopathischen Arzneimitteln im Arzneimittelgesetz geregelt (§ 10 Absatz 4 HWG).
Ich rege an, sich mit Ihrem Anliegen an den Bundesgesetzgeber bzw. das Bundesministerium für Gesundheit zu wenden.
Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
Dr. Kasper
Quintessenz: „Wir sind nicht zuständig.“
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Antwort 5
Der Vorsitzende des Ausschusses für Gesundheit, Pflege und Demographie des Landtages von Rheinland-Pfalz antwortet am 12.01.2017:
Sehr geehrte Damen und Herren,
vielen Dank für Ihre Mail vom 19.12.16.
Ich werde Ihr Anliegen bei nächster Gelegenheit im Gesundheitsausschuss thematisieren und dann auf die Angelegenheit zurückkommen. Ich persönlich kann Ihre Argumentation inhaltlich nachvollziehen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Peter Enders, MdL
Quintessenz: „Wir werden uns damit beschäftigen.“
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Antwort 6:
Aus dem Bundesgesundheitsministerium kam am 18.01.2017 folgende Antwort:
Sehr geehrter Herr Dr. Aust,
vielen Dank für Ihr Schreiben vom 19. Dezember 2016 an Herrn Bundesgesundheitsminister Gröhe. Ich bin gebeten worden, Ihnen zu antworten.
Registrierte homöopathische Arzneimittel sind nach den Vorgaben des § 10 Absatz 4 Satz 1 Nr. 9 des Arzneimittelgesetzes (AMG) auf dem Behältnis und, soweit verwendet, auf der äußeren Umhüllung mit der Angabe „Registriertes homöopathisches Arzneimittel, daher ohne Angabe einer therapeutischen Indikation“ zu kennzeichnen.
Darüber hinaus weist der nach § 10 Absatz 4 Satz 1 Nr. 10 AMG erforderliche Hinweis, bei während der Anwendung des Arzneimittels fortdauernden Krankheitssymptomen medizinischen Rat einzuholen, den Anwender auf die Grenzen des Gebrauchs dieser Arzneimittel hin.
Das Heilmittelwerbegesetz (HWG) sieht im § 5 zusätzlich vor, dass für homöopathische Arzneimittel, die nach dem Arzneimittelgesetz registriert oder von der Registrierung freigestellt sind, mit der Angabe von Anwendungsgebieten nicht geworben werden darf. Dies gilt unabhängig davon, ob die Werbung sich an Fachkreise richtet oder es sich um eine Publikumswerbung handelt. Wer entgegen § 5 HWG mit der Angabe von Anwendungsgebieten wirbt, handelt ordnungswidrig (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 HWG). Zuständig für den Vollzug des HWG ist die jeweilige Landesbehörde.
Vor diesem Hintergrund erkenne ich derzeit kein Erfordernis, zusätzliche Hinweise aufzunehmen.
Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
Dr. Barbara Passek
Quintessenz „Alles gut so, wie es ist, kein Handlungsbedarf.“
Hier werden weitere Antworten folgen (hoffe ich).
Fortsetzung hier.
Danke, für den interessanten Beitrag und die ausführliche Recherche. Ich hoffe sehr, dass auch in Deutschland bald alle Mittel auf ihre Wirkung gekennzeichnet werden müssen. So können „schwarze Schafe“ schnell erkannt werden und hochwertige Mittel und Hersteller leiden nicht darunter. Ich selbst bin ein großer Befürworter homöopathischer Mittel, aber habe auch oft Schwierigkeiten mit der Kennzeichnung einiger Produkte.
Beim Gesundheitsministerium würde ich als Fazit eher sehen:
„Wir haben das nicht verstanden. Deshalb kein Handlungsbedarf.“
Aus aktuellem Anlass kann ich bestätigen, dass kritische Eingaben und Beschwerden in vergleichbaren Angelegenheiten, die auch an alle denkbar Zuständigen versandt wurden, ähnliche Rücklaufraten und ähnliche Rückäußerungen zeigen (aktuell z.B. Beschwerde über allzu offensive Homöopathiewerbung auf einer Krankenkassen-Webseite).
Es ist doch schön, wenn man einer Problemlösungsverantwortung schon deshalb enthoben ist, weil man das Problem entweder nicht zur Kenntnis nimmt oder es nicht versteht.