Forschung in der Homöopathie – Pseudowissenschaft für Pseudomedizin

Die Diskussion um die Homöopathie geht offenbar in eine neue Runde. Bisher führt diese Lehre ein Dasein ähnlich dem des Monsters von Loch Ness: Viele behaupten, es gesehen zu haben oder sind zumindest von seiner Existenz überzeugt. Diejenigen, die davon leben, fördern nach Kräften den Glauben daran, aber wenn man versucht, diesem Wesen im trüben Wasser mit wissenschaftlichen Methoden zu Leibe zu rücken, entzieht es sich seit Jahrzehnten jedem Existenznachweis mit verblüffender Raffinesse.

Die Homöopathie sei eine erfolgreiche medizinische Praxis, die sich der wissenschaftlichen Forschung stellen müsse, schreibt die Wissenschaftliche Gesellschaft zur Homöopathie in einer groß angelegten Dokumentation, die öffentlich den Stand der Forschung in der Homöopathie erläutern soll. Deutlicher hätten die Kritiker der Homöopathie das nicht ausdrücken können: Während in der Hochschulmedizin Forschung dazu dient, Therapien zu verbessern und neue Medikamente zu entwickeln, geht es in der Homöopathie darum, die aberwitzigen Behauptungen zur Wirksamkeit zu belegen. Oder, besser gesagt, die Öffentlichkeit glauben zu machen, sie seien belegt. Bestätigungsforschung also.

Die zusammenfassende Betrachtung klinischer Forschungsdaten belege hinreichend einen therapeutischen Nutzen der homöopathischen Behandlung und die Ergebnisse sprächen auch für eine spezifische Wirkung potenzierter Arzneimittel, steht da zu lesen. Das soll offenbar bedeuten, dass Behauptungen, wie sie allenthalben auf den Homepages der Therapeuten, in Vorträgen und in der einschlägigen Ratgeberliteratur zu finden sind, eine wissenschaftlich solide Grundlage haben. Hiernach soll ein sorgfältig ausgewähltes homöopathisches Arzneimittel völlig nebenwirkungsfrei und dauerhaft schwere, akute und auch chronische Erkrankungen heilen können, für die sonst nur Linderung, aber keine Heilung möglich sei, schreibt allen Ernstes Cornelia Bajic, Vorsitzende des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte, auf ihre Praxishomepage.

Herz, was willst Du mehr! Für und gegen alles ist ein Kraut gewachsen, wenn schon nicht Kraut, dann aber doch irgendein Mittel, und sei es potenziertes Mondlicht. Aber dies ist ohnehin bedeutungslos, denn die Mittel unterscheiden sich nur darin, was nicht drin ist, in den auf Zucker aufgebrachten Verdunstungsrückständen von medizinischem Alkohol und destilliertem Wasser.

Warum, so muss man sich fragen, haben die Homöopathen so ein gewaltiges Problem damit, auch nur eine einzige solide, rundum positive Studie vorzulegen, wenn ihre Therapie doch so leistungsfähig ist? Das Einzige, was für die Homöopathie spricht, ist die Leichtigkeit der Lehre und die Tröstlichkeit der verkündeten Botschaft: Beispielsweise sollen Menschen, die sich zusätzlich homöopathisch behandeln lassen, selbst bei Krebs eine höhere Lebensqualität erreichen, jetzt wissenschaftlich hinreichend belegt.

Wissenschaft, das klingt so nach objektiv und logisch. Der weißhaarige Professor, der sagt, was richtig ist. Obwohl gerade dieses Bild des Wissenschaftlers seitens der Anhänger der Homöopathie kräftig untergraben wird. Dogmatisch, engstirnig, Neuem (oder längst Überholtem?) gegenüber nicht „offen“. Aber in einer Welt, in der man erwachsene gebildete Menschen dazu bringen kann, in Kondensstreifen von Flugzeugen etwas anderes zu sehen als ein thermodynamisches Phänomen oder gedruckte Barcodes für etwas anderes zu halten als eine maschinenlesbar kodierte Kennziffer, in einer solchen Welt wirkt der Bezug auf die Wissenschaft ausgesprochen seriös, fast spießig. Die eingängige Verpackung, die den Aberglauben an das heilende Nichts für Leute verdaulich macht, die sich sonst gerne als rational agierende Wesen gerieren und allem, was nach Industrie und Lobby klingt, sehr misstrauisch gegenüberstehen.

Schräge Forschungsarbeiten schräg zitieren. Das ist der Stoff, mit dem man die Patienten überzeugt. Ein schräges Ergebnis einer einzelnen Forschungsarbeit ist schnell eingeworfen, klingt oftmals überzeugend und ist mit der richtigen Dosis Fachausdrücke gewürzt als Argument fast unschlagbar. Ein solches Argument zu widerlegen erfordert Erklärungen, Belege, Definitionen, kurz, dauert länger und ist absolut unerotisch, ohne Glanz und Glamour. Die halbseidenen und selektiven Aussagen zu korrigieren wirkt oberlehrerhaft und besserwisserisch. Als Kritiker ist man da schnell in der Rolle des Spielverderbers. Jemand, der bei Harry Potter erzählt, warum das alles in der Wirklichkeit nicht so sein kann und wie man die Filmaufnahmen gemacht hat. Man will den Schein bewahren, der – und sei es auch nur befristet – ein angenehmes Kribbeln erzeugt. An der Realität ist man nicht interessiert.

Homöopathie verhilft Krebspatienten zu einem schöneren Leben. Ist das nicht herrlich und tröstlich? Als Kritiker muss man länger ausholen. Ja, tatsächlich, in der Studie ging es den Homöopathie-Patienten tatsächlich besser. Aber, ist etwas anderes zu erwarten, wenn man die konventionell therapierten Patienten zum großen Teil aus der Orthenau-Klinik in Offenburg rekrutiert, also einem Kreiskrankenhaus für alle Kassen, und diese Krebspatienten drei Monate nach der Erstdiagnose mit Patienten einer teuren Privatklinik über dem Lago Maggiore vergleicht, bei denen die Erstdiagnose 10 Monate her ist? Kassenpatient im Mehrbettzimmer im Vergleich zu Privatklinik mit Seeblick und Chefarztbehandlung? Krankenhauskost statt Gourmetmenue?

Auch in einem modernen Kreiskrankenhaus kann vielen Krebspatienten dank evidenzbasierter Medizin wirklich geholfen werden. Aber in den ersten zehn Monaten nach Erstdiagnose werden die Patienten unter Nebenwirkungen und Folgeerscheinungen der primären Krebstherapie leiden und diejenigen mit besonders bösartigen Krebserkrankungen werden qualvoll sterben. Solche Fälle sind in der Homöopathiegruppe, deren Beobachtung erst zehn Monate nach Erstdiagnose beginnt, nicht mehr vorhanden. Braucht es da für die höhere Lebensqualität bei letzteren auch noch Zuckerkügelchen mit Verdunstungsrückständen?

Oder wie macht man, dass Homöopathika genau so gut wirken wie Antibiotika? Nichts leichter als das. Man nehme banale Erkältungsbeschwerden, die normalerweise nach 14 Tagen ausgestanden sind, beobachte zwei Gruppen, deren eine auch mit Antibiotika behandelt wurde – wirkungslos bei den zumeist viral bedingten Bagatell-Infektionen. Die andere Gruppe erhielt Homöopathika, auch wirkungslos, und schon hat man nach zwei Wochen das gleiche Ergebnis in beiden Gruppen – die Beschwerden sind weg, bei beiden, also sind die Therapien gleichwertig. Das kann man nicht in der vorgelegten Dokumentation lesen, aber in der zitierten Studie. Ich kann genauso schlecht kochen wie Ronaldo, folglich habe ich auch im Fußballstadion die gleiche Wirkung?

Nach Angaben der englischen Faculty of Homeopathy wurden bis Ende 2014 104 placebokontrollierte Vergleichsstudien zur Homöopathie in Fachzeitschriften mit Peer-Review veröffentlicht. 56 davon zeigten ‚unklare‘ Resultate, im Klartext: eine Überlegenheit zum Wirkungslosen Placebo konnte nicht festgestellt werden. Bei fünf zeigten sich sogar Nachteile der Homöopathika. Hingegen werden gerne die 43 Studien zitiert, die positive Ergebnisse zeigten. Über die anderen, die überwiegende Mehrzahl, bei denen kein Vorteil gegenüber Nichts auftrat, hört man nichts. Die Existenz dieser Studien wird gerne verschwiegen. Dabei sollte man doch meinen, dass die jeweiligen Autoren für ihren Versuch eines Nachweises Beschwerden gesucht hätten, in denen die Homöopathie als besonders wirksam anzusehen ist. Trotzdem ging es in den meisten Fällen schief. Was aus diesem Sachverhalt zu schließen ist, wird in der Dokumentation nicht erörtert.

In der Öffentlichkeit zitiert man dagegen die Studien, die signifikante Ergebnisse erbracht haben.

Dabei trifft es sich gut, dass viele der Angesprochenen mit Wirkungsnachweisen und der verwendeten Fachsprache nicht vertraut sind. Einige Begriffe der Umgangssprache haben im Kontext von Forschungsergebnissen eine ganz andere Bedeutung – was der Laie vermutlich nicht ansatzweise ahnt. „Bereits nach zwei Tagen zeigten sich signifikante Vorteile der homöopathisch behandelten Patienten.“ Das versteht jeder, aber – jede Wette – falsch. ‚Signifikant‘ ist in der Forschung nicht als „groß“ oder „bedeutsam“ zu verstehen, sondern heißt nur, dass ein statistischer Vergleich ergeben hat, dass das Ergebnis wahrscheinlich kein Zufall ist. Und dass es dazu, je nach Anzahl der bei der Studie beteiligten Probanden, eben keinen großen Unterschied braucht. Die Abkürzung von Grippesymptomen um 7 Stunden, die man mit etwas Pech verschläft und nicht mitbekommt, reichen bei hinreichender Größe der Vergleichsgruppen für ein signifikantes Ergebnis völlig aus. Signifikanz sagt nichts über die Effektstärke aus und schon gar nicht über eine therapeutische Relevanz.

Möglichkeiten, Daten in eine gewisse Richtung zu lenken, gibt es viele. Man erfasst eine Vielzahl der Daten und berichtet dann nur über diejenigen, die für den nachzuweisenden Effekt positiv sind – und ignoriert den Rest. Man führt eine Studie so lange fort, bis endlich Zahlenwerte auftauchen, die eine statistische Signifikanz ergeben. Man trägt schon mal jahrelang Ergebnisse einer Langzeitstudie vor, die aber nicht veröffentlicht wurde. Man kann folglich nicht nachlesen, was eigentlich wie gemessen und erfasst wurde.

Es gibt keine qualitativ hochwertige und damit aussagekräftige klinische Studie, die eine Wirksamkeit homöopathischer Präparate nachgewiesen hätte, schon gar nicht in der postulierten durchgreifenden therapeutischen Relevanz. Abkürzung von Erkältungskrankheiten um rund sieben Stunden, Reduzierung der Stuhlgänge bei kindlichem Durchfall am dritten Tag – wohlverstanden NUR am dritten Tag, nicht am zweiten und nicht am vierten – oder eine Wirkung bei schwerer Sepsis erst sechs Monate, nachdem diese überstanden ist, das sind die Effekte, die als Nachweis der Wirksamkeit gelten und reihenweise zitiert werden. Nichts lässt auf die vielbeschworene grundlegende und dauerhafte Heilung schließen. Die Kulisse wirkt eben nur bei einem bestimmten Blickwinkel wie das Original – sonst sieht man den Gips und das Holzgerüst, woraus die imposante Fassade hauptsächlich besteht.

Was die Ergebnisse der Grundlagenforschung bedeuten würden, wenn sie denn real wären, zeigt man nicht. In Presse, Funk und Fernsehen werden gerne die Ergebnisse an Wasserlinsen zitiert. Was bedeutet es denn für die Leistungsfähigkeit der Therapie, wenn man als bestmöglichen Fall zeigen kann, dass Wasserlinsen, wenn sie mit Arsen vergiftet und anschließend mit hochpotenziertem Arsen behandelt wurden, nach 100 Stunden soweit gewachsen waren wie die placebo-behandelten vergifteten Wasserlinsen in 101 Stunden? Ist das die durchgreifende Wirkung, wie sie jemand erwartet, der sich der Homöopathie anvertraut?

Wenn die Homöopathie wirklich nebenwirkungsfrei und ungefährlich sein soll, wie kann dann ein hochpotenziertes Wachstumshormon die Metamorphose von gesunden Froschlarven verzögern? Gilt vielleicht doch auch die Umkehrung des Ähnlichkeitsprinzips der Homöopathie? Kann ein Mittel bei einem Gesunden alle die Beschwerden hervorrufen, die es bei einem Kranken heilen kann? Wo sind die Warnhinweise?

Natürlich ist das alles nur von Bedeutung, wenn man unterstellt, dass die Wirksamkeit ihrer Therapie auf einer Wirksamkeit der Präparate beruht, wie die Homöopathen es ja tun. Verzichtet man auf diesen Anspruch, wenn die Homöopathie also nur eine etwas anders geartete Form der Gesprächstherapie wäre, dann wäre es kein großes Problem, dass die immer gleichen Dinge, nämlich Verdunstungsrückstände auf Zucker, unter immer anderen phantasievollen lateinischen Bezeichnungen unterschiedliche Wirkungen tun sollen. Dann wäre aber auch ausgeschlossen, dass die Homöopathie – wie beworben – auch für ernsthafte Beschwerden eingesetzt werden könnte, bei der Bekämpfung von Infektionen und Seuchen, sogar vor Ebola ist man ja bekanntlich nicht zurückgeschreckt. Oder Krebs. Oder Diabetes. Auch hätte man keine so rechte Begründung dafür, dass man auch homöopathische Malariaprophylaxe betreiben könne.

Jedenfalls haben die Homöopathen anscheinend ganz beträchtliche Schwierigkeiten damit, auch nur eine einzige rundum gelungene Studie oder systematische Übersichtsarbeit vorzulegen, die zu dem Schluss käme, die Homöopathie sei für diesen oder jenen Einsatzfall vorbehaltlos zu empfehlen. Praktisch unisono wird in Übersichtsarbeiten die mangelnde Qualität der Studien beklagt, die eine endgültige Bewertung nicht gestatte. Ein Bild, das im krassen Widerspruch zu den vollmundigen Aussagen steht, die auf die Patienten herabregnen. Und wenn die Nachweisverfahren der evidenzbasierten Medizin für die Homöopathie vielleicht wirklich nicht ganz geeignet sein sollten – ein Vorbehalt, den man erstaunlicherweise nur dann hört, wenn die Autoren in einer Studie nicht die erwünschten Effekte erzielen konnten – dann wäre es an der Zeit, geeignete Verfahren zu entwickeln. Verfahren, mit denen man eine Kausalität zwischen Einnahme des Homöopathikums und gesundheitlicher Entwicklung überprüfen kann.

So kann diese Pseudomedizin auch nur gedeihen, weil sie unter dem besonderen Schutz des Arzneimittelgesetzes steht, das aus einem irgendwie falsch verstandenen Pluralismus heraus der Homöopathie keinen Wirkungsnachweis abverlangt. Jeder Hersteller von Lebensmitteln, der mit gesundheitsbezogenen Aussagen wirbt, muss nachweisen, dass diese auch tatsächlich berechtigt sind. Hersteller von Homöopathika müssen das nicht. Warum nicht?

Jedem, der die letzten 20 Jahre nicht unter einem dicken Stein gelebt hat, müsste klar sein, dass Rauchen schädlich ist. Dennoch muss auf jeder Packung möglichst drastisch darauf hingewiesen werden, dass der Gesunde sich damit schaden kann. Dem Kranken hingegen, der auf die Wirkung eines Medikaments angewiesen ist, darf vorgegaukelt werden, er erhalte ein wirksames Mittel, das ihm bei seinen Beschwerden helfen wird.

Warum muss auf einem Homöopathikum, auf den entsprechenden Webseiten der Hersteller und Therapeuten, in der Literatur und bei allen anderen Gelegenheiten nicht der Warnhinweis erscheinen: Achtung: Die Wirksamkeit dieses Präparates wurde nie erprobt und ist nach allem, was wir wissen, völlig unmöglich. Sie schaden sich, wenn Sie auf dieses Mittel vertrauen und auf eine wirksame Behandlung verzichten!

Warum kann die australische Gesundheitsbehörde aufgrund einer sehr gründlichen Aufarbeitung der Forschungslage ihre Bevölkerung vor den Risiken und Nebenwirkungen der Homöopathie warnen – und in Deutschland geht das nicht?

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39 Antworten zu Forschung in der Homöopathie – Pseudowissenschaft für Pseudomedizin

  1. Elke Ospert sagt:

    Als jemand der selbst alle paar Monate von solchen Rückenschmerzen betroffen ist weiß ich dass man sich vor Schmerzen am liebsten gar nicht bewegen würde sondern eine Schonhaltung einnimmt.

    Dadurch wird das Leiden aber im allgemeinen nicht oder nur sehr langsam besser – Bewegung wäre wesentlich hilfreich wird aber vermieden.

    Ich helfe mir da mit Schmerztabletten – ist der Schmerz weg oder zumindest erträglich kann ich mich auch bewegen was sehr schnell Besserung bringt.

    Das klappt natürlich nicht bei einem Bandscheibenvorfall oder wenn wirklich Wirbel verschlissen sind – aber meist sind solche Rückenschmerzen nur eine Art von Muskelverspannung.

    Von daher wundert es nicht besonders, dass es dem Patienten nach einiger Bewegung besser ging – die vielleicht durch eine Placebo-Wirkung des Globuli („der Schmerz müßte ja bald nachlassen“) unterstützt wurde.

    Darüber hinaus gibt es bei der Bundeswehr regelmässig Wunderheilungen –
    z.B. werden bettlägrige Kranke Freitags viel häufiger gesund als z.B. Montags.

    Und nach 2-3 Wochen Kasernenaufenthalt ist bei den meisten der Koller wohl so groß und das Bedürfnis dort rauszukommen so gewaltig dass es fast schon reichen könnte Tote wieder zum Leben zu erwecken.

  2. Elke Ospert sagt:

    „Befragen wir die Toxikologen, so wird tatsächlich überall bei einer Vergiftung mit Stramonium auch der „Flush“, die Hautrötung beschrieben“

    Aber befragen wir einen Toxikologen ob dieser Effekt auch dann noch auftritt wenn man Stramonium im Verhältnis 1: 10^2000 verdünnt (was allerdings praktisch gar nicht möglich ist weil das gesamte bekannte Universum nicht ansatzweise über genügend Materie verfügt um so eine Verdünnung herzustellen) dann wird er (wenn er nicht gerade esoterischer „Alternativ-Toxikologe“ ist) wohl darauf verweisen, dass die Dosis das Gift macht – und in der „Dosierung“ keine Substanz noch irgendeinen Schaden (oder Nutzen) anrichtet.

  3. Elke Ospert sagt:

    „Nun, wie ich schrieb, beobachte ich als Naturwissenschaftler, wie in einem Experiment: Jemand bekommt eine Arznei und in den Folgestunden tritt ein Hautausschlag auf – da denkt jeder Beobachter aufgrund der zeitlichen Nähe an einen Zusammenhang,“

    Aber als Naturwissenschaftler sollte man eben wissen, dass das u.U. eben nur ein zeitlicher Zusammenhang ist – und nicht automatisch ein kausaler.
    Mein Onkel hat Montags ein Salamibrot gegessen – am Tag darauf war er tot.
    Sind Salamibrote deswegen nun tödlich?

    „Also frage ich mich, welche Ursachen sonst noch infrage kommen, aber ich wurde nicht fündig.“

    Aber nur weil nicht fündig wird heißt das ja nicht dass man sich einfach Ursachen ausdenken darf.

    „Postulieren wir aber, dass Stramonium beim Gesunden solche Ausschläge hervorrufen kann (z.B. bei einer Vergiftung), dann wäre eine Erstverschlimmerung im Sinne Hahnemanns eine plausible Erklärung. “

    Und postulieren wir das es böse Hexen gibt dann wäre ein Schadzauber eine Hexe auch eine plausible Erklärung.

    Als Naturwissenschaftler sollte man sich fragen, ob Phänomene auch reproduzierbar sind.

    Ob Stramonium (in einer homöopathischen Potenz von C1000) tatsächlich wie von der homöopathischen Lehre behauptet bei Gesunden Hautauschläge verursacht (und zwar deutlich häufiger als z.B. eine Zuckerpille) läßt sich ja relativ einfach überprüfen -sogar randomisiert und doppelverblindet.

    Bislang sind Homöopathen (und auch andere) regelmässig daran gescheitert einen Unterschied zwischen Hochpotenzglobuli und Zuckerpillen anhand der Wirkung zu erkennen.

  4. Elke Ospert sagt:

    „…Bleiben wir bei der Erstverschlimmerung: Dies ist nach der Lehre Hahnemanns nicht dasselbe, als wenn Irgendjemand eine Hochpotenz einnimmt – eine Erstverschlimmerung tritt nur auf, wenn das Mittel genau auf die Beschwrden passt, aber die Dosis falsch ist“

    Aber bei einer „Erstverschlimmerung“ nach Hahnemann verschlimmern sich ja die bereits vorhandenen Symptome (laut Hahnemann höchstens für wenige Stunden) – aber im geschilderten Fall wurde ja nicht das vorhandene Symptom „Stottern“ verschlimmert sondern stattdessen trat ein neues zuvor nicht vorhandenes Symptom auf – nämlich ein Hautauschlag.

    Und das wäre dann nach Homöopathen wohl eher ein Prüfsymptom – wie es auch angeblich im Rahmen homöopathischer „Arzneimittelprüfungen“ bei Gesunden auftreten soll oder eben auch wenn man das falsche Mittel nimmt.

  5. Norbert Aust sagt:

    „Andererseits sind da aber auch an Wunder grenzende Erfolge der Homöopathie, die ich nicht einfach wegwischen kann, weil ich sie mehrfach erlebt habe und sie mir nicht nach dem bisherigen naturwiss. Verständnis erklärbar sind.“

    Wunder – Ein Synonym für ein Zufallsereignis für das man vergeblich nach einer Kausalität sucht?

    Sie suchen, sagen Sie, nach einer Erklärung – ich bezweifle die Ernsthaftigkeit des Unterfangens. Eher eine Alibi-Funktion. Als Voraussetzung dafür, dass Sie an einen Irrtum Ihrerseits glauben, verlangen Sie den schlüssigen Vortrag einer Kausalkette, und zwar nicht nur eine vermutete sondern eine beweisbare, zu der allerdings die notwendigen Hintergrundinformationen nicht verfügbar sind. Ich weiß jetzt nicht wie man diese Argumentationsweise nennt, unmöglich zu erfüllende Forderungen an die Widerlegung Ihrer Position zu stellen.

    Das ist etwa so, als würden Sie begründen, dass die Erde eine Scheibe sein muss, weil Sie nicht genau wissen, wie heiß es im Erdinnern ist.

    Ich würde gerne einmal anders herum fragen: Auf welchen Grundlagen beruht denn eigentlich Ihre Annahme, diese Vorgänge könnten durch die Wirkung homöopathischer Präparate hervorgerufen sein? Sie bleiben fest dabei – aber worauf berufen Sie sich? Was spricht dafür, dass Ihre Annahme stimmen könnte? Mit welchen Argumenten widerlegen Sie meine Annahme, dass es sich um eine zufällige Parallelität von unabhängigen Ereignissen handeln könnte? Was passiert, wenn ich die gleichen Anforderungen an Ihre Evidenz stelle wie Sie an meine? Können Sie Auskunft geben?

    Aber wir können es auch gerne gut sein lassen. Ich freue mich über Ihr Angebot – möchte aber die Wahrscheinlichkeit doch als relativ niedrig einschätzen, dass ich es auch wahrnehmen werde. Trotzdem freue ich mich darüber, dass es trotz der Gegensätzlichkeit der Positionen ein gewisses Grundverständnis gibt.

    Ebenfalls einen frohen Advent.

  6. 2xhinschauen sagt:

    Andi,
    die „Tante“ war ein ironisch verwendetes Zitat von anderswo. Ich bitte um Entschuldigung für diese Unsachlichkeit.

    Sie regen an, individuelle Heilungserfolge wissenschaftlich zu untersuchen, um (Selbst-)Täuschungen auszuschließen (ich nehme an, dass das der Zweck ist). Haben Sie ein Studiendesign im Sinn, wie man das rückwirkend tun kann, also nachdem das „Wunder“ eingetreten ist? „Wunder“ im Sinne: Mit bekannter Wissenschaft nicht kausal erklärbar. Globuli als kausale Ursache wären in diesem Sinne ein Wunder.

    Jaja, schon klar, manches in neuerer Zeit kausal und rational erklärbare Phänomen galt vorher als Wunder. Galileo-Gambit? Horatio-Argument? Wirklich?

    Oder haben Sie evtl einen Vorschlag, wie man jede Therapie (oder eine hinreichende Stichprobe), während sie geschieht, daraufhin beobachten kann, ob evtl so ein Wunder auftritt? Diese „Wunder“ müsste man noch vom lange bekannten Phänomen der Spontanheilung trennen, für das der Wissenschaft auch keine brauchbaren Kausalitäten bekannt sind – und die gerne auch ohne „alternative“ und „komplementäre“ Methoden auftreten.

    Sie schreiben, mein Argument, „dass der normale Krankheitsverlauf des Stotterns und der Ängste zu einem heftigsten Ausschlag führt anstelle einer Erstverschlimmerung“ unschlüssig sei und fragen: „Wie soll das geschehen?“

    Das gibt mir Gelegenheit, ein sehr grundlegendes Argument anzuführen: Dass ich das nicht erklären kann, ist vollkommen bedeutungslos sowohl für die Natur als auch für die Wissenschaft. Dasselbe gilt dafür, dass Sie sich keine andere Erklärung vorstellen können als die homöopathische Behandlung.

    Dass ich keine und Sie keine plausible Erklärung für die geschilderten Fallgeschichten gibt, heißt nicht, dass es keine gibt.

    Wirklich, es ist eine der erkenntnisfeindlichsten Einstellungen überhaupt, zu sagen: „Das kann ich mir nicht vorstellen!“

  7. Andi sagt:

    Lieber Hr. Aust,
    natürlich sind mir diese Argumente klar geworden; obgleich mir das Hin und Her der Worte großes Vergnügen bereitet hat, versuchen Sie zurecht die Diskussion zu einem Ende zu bringen.
    Ich verstehe Ihre Position vollkommen, und skeptische Anteile in mir können sich damit durchaus identifizieren. Andererseits sind da aber auch an Wunder grenzende Erfolge der Homöopathie, die ich nicht einfach wegwischen kann, weil ich sie mehrfach erlebt habe und sie mir nicht nach dem bisherigen naturwiss. Verständnis erklärbar sind. Ich wünschte mir, diese Erklärungen zu finden – stattdessen bekam ich sinngemäß immer nur zu hören „Das kann nicht sein, die Welt ist nunmal eine Scheibe“.
    Ich bedanke mich aber für Ihre große Geduld mit mir und will nun enden, wofür ja allein aus Taktgefühl schon längst die Zeit gekommen ist. Sollten Sie dennoch einmal mit schulmedizinischen Mitteln nicht geheilt werden, so wäre es mir eine große Ehre, einen Skeptiker wie Sie homöopathisch behandeln zu dürfen (natürlich entgeltfrei, da ich den Klischees Ihrer Fürsprecher nicht entsprechen möchte).
    Frohe Adventszeit!

  8. Norbert Aust sagt:

    Andi, ich denke, Ihnen ist der Punkt noch nicht klar geworden, den 2xhinschauen oder ich Ihnen rüberbringen wollen, ob man es nun Ockham’s Rasiermesser nennt oder nicht:

    Dass Sie oder Ihre Kollegen Heilungen durch die Gabe homöopathischer Mittel erzielen, ist extrem unwahrscheinlich. Sechs Richtige mit Superzahl ein Jahr lang jede Woche hintereinander weg ist eine todsichere Angelegenheit verglichen mit der Wahrscheinlichkeit, dass sich überhaupt nur ein Molekül aus der Urtinktur in der Medikamentengabe des Patienten befindet.

    Jede andere Erklärung unter Verweis auf einen Vorgang, der sich irgendwann einmal auf der Erde abgespielt hat, ist mit wesentlich höherer Wahrscheinlichkeit richtig. Deshalb sagen Ihre Fallbeispiele nichts aus – weshalb ich mich auch mit diesen nicht näher beschäftige. Man müsste alle denkbaren Möglichkeiten ausschließen – wofür aber nicht im Mindesten ausreichend Informationen vorliegen.

  9. Andi sagt:

    Lieber Koll. borstel, am 10. Dez. wünschen Sie sich im Kommentar, dass solch ein „eindrucksvoller Fallbericht Ansporn für intensive Erforschung des Phänomens“ sein soll – und am 11. Dezember posten Sie das Gegenteil. Sie enttäuschen mich: Ich hatte schon gehofft, Sie würden Fälle homöopathischer Heilungen untersuchen wollen.

  10. Andi sagt:

    Von welcher Tante sprechen Sie? Meine Fälle handelten von anderen Personen.
    Bzgl. des Rasiermessers: Ihre Behauptung, dass es geradliniger sei, zu denken, dass der normale Krankheitsverlauf des Stotterns und der Ängste zu einem heftigsten Ausschlag führt anstelle einer Erstverschlimmerung ist unschlüssig. Wie soll das geschehen?

    Homöopathen arbeiten so gerne, weil sie so viele erstaunliche Heilungen erzielen. Da hilft es nicht, immer nur die fehlenden Wirksamkeitsbelege anzumahnen, stattdessen sollten die Heilungen untersucht werden!

  11. borstel sagt:

    Nun, Herr Kollege, ich denke allerdings nicht, daß weitere Forschungen hier erforderlich sind, wenn ich mir die diversen Blogbeiträge und Beispiele von Herrn Dr. Aust so durchlese. Bislang ist der Sprung von „bin TOTAL überzeugt, daß es hilft“ zu einem wissenschaftlich überzeugenden Nachweis einfach nicht gelungen. Und Herr Aust hat ja auch schön auseinandergesetzt, wo an Ihren Fallbeispielen die Fallstricke lauern (man verzeihe mir das Wortspiel). Es gibt durchaus erheblich fruchtbarere und wichtigere Forschungsgebiete, die mit Hirnschmalz und Geld bedacht werden sollten. Nicht aber eine völlig überholte, in ihren Grundlagen der derzeitigen Medizin und Naturwissenschaft spottende und auch in der klinischen Forschung versagende Lehre.
    Überdies stammte das Infusionsbeispiel ja von Ihnen – nur hat auch dort Herr Aust schon festgestellt, daß es als Analogie nicht taugt. Ich wollte nur noch einmal festhalten, daß es mit der Evidenz dieser Behandlung nicht viel her ist (und wie gesagt, da hat dann die Infusionstherapie des Hörsturzes jede Menge mit der Homöopathie gemein). Bezüglich der generellen Frage der Hörsturzbehandlung bin ich zugegeben kein Experte, aber die sehr schwammige Leitlinie wird durch einen Beitrag im Dt. Ärzteblatt abgerundet, der älter, meiner Meinung nach aber immer noch aktuell ist: http://www.aerzteblatt.de/archiv/69741/Unwirksame-Therapien-sind-schaedlich. Das aber nur nebenbei, da ich keine Nebendebatte führen wollte.
    Zu guter letzt: Ich bin zwar ein Homöopathiegegner, aber ein „Skeptiker“ bin ich nicht – mit harschem Atheismus kann ich nicht viel anfangen. Aber auch das nur am Rande.

  12. Andi sagt:

    Lieber Hr. borstel,
    nach ihrem scharfzüngigem Ausfall im 1. Absatz brechen Sie eine Lanze für die intensive Erforschung der Homöopathie, wozu Sie durch Fallberichte angespornt werden – Das finde ich klasse!
    Vielleicht nimmt Hr. Aust dies als Anregung, Fallbeispiele in einem Kapitel der Website aufzuarbeiten?

    Dass eine Hörsturztherapie wahrscheinlich generell nicht sinnvoll ist, ist eine sehr kühne Behauptung: Das stammt so weder von mir noch läßt sich das aus Ihrer verlinkten Quelle ableiten. Somit sind m. E. auch die folgenden Schlüsse nicht haltbar, und wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf: Von einem Skeptiker habe ich mehr Sachlichkeit in der Argumentation und weniger Klischees erwartet: Homöopathen sind nicht alle nur auf Geld aus – oder unsensibel für die enormen Effekte auf die Psyche.

    Den zuvor von Hr. Aust geposteten Beitrag finde ich sehr schlüssig und anregend: Ihre Quintessenz ist nachvollziehbar, auch wenn sich natürlich über die genannten Lösungsmöglichkeiten und die Wahrscheinlichkeit ihres Zutreffens vortrefflich streiten ließe. Aber auch hier können wir ja wie bei Hr. borstel zum Fazit gelangen, dass wir die Fallbeispiele als Ansporn sehen.

  13. 2xhinschauen sagt:

    Andi,
    Ihre Annahme, was Naturwissenschaft sei, ist wirklich naiv, wenn Sie die subjektiv getrübte Einzelfallbeobachtung der korrekten und bewährten Methodik vorziehen, Zitat:

    >> Die Erfahrung zeigt, es wirkt, auch wenn Studien, die die Wirksamkeit belegen, fehlen, und die Wissenschaft keine Erklärung bietet <<

    Sie wischen eine Kernmethode jeder seriösen Wissenschaft mit einem simplen "meiner Tante hat es aber geholfen" einfach so vom Tisch. Und nebenbei: Die bisherige (z.B. im Vergleich mit Antibiotika oder Narkosemitteln) vernichtende Studienlage würde nicht dadurch besser, wenn jetzt mal wieder eine Studie hoher Qualität mit signifikanter /und/ relevanter Wirksamkeit auftauchte. Was aber nicht passieren wird.

    Für eine Meinung zur Erstverschlimmerung braucht man kein Medizinstudium, sondern nur Ockhams Rasiermesser (https://de.wikipedia.org/wiki/Ockhams_Rasiermesser): Die Annahme, dass sie dem normalen Krankheitsverlauf entspricht und dieser von wirkungslosen Globuli nicht beeinflusst wird, ist erheblich geradliniger und stabiler als die Anwendung des komplexen homöopathischen Ideengebäudes.

    Und ja, die falschen Analogieschlüsse. Man weiß in der Tat nicht von allen Wirkstoffen, wie sie z.B. auf molekularer Ebene genau wirken. Aber man weiß, dass sie es tun, Beispiel Narkosemittel. Deren m.W. wenig bekannten Wirkmechanismen bedeuten für Globuli geradewegs gar nichts.

    Es ist schließlich gerade der Wesenskern der Evidenzbasierten Medizin, nicht auf den Wirkmechanismus, sondern auf die in sauberen Studien tatsächlich erhobene Wirkung abzustellen. Und diese Methodik liefert für die Homöopathie in Summe keine Unterschiede zum Placebo, egal welcher Tante es geholfen haben mag.

    Im übrigen schließe ich mich Norbert an: Wenn frei verkäufliche "Arzneien" tatsächlich die ganzen Krankheiten verursachen könnten, die in den diversen Repertorien gelistet sind, dann gehören sie allesamt und sofort verboten.

    p.s. Mein persönlicher Favorit ist übrigens nach wie vor Natrium Muriaticum (https://www.repertorium-online.de/homoeopathische-mittel/natrium-muriaticum), das angeblich Kummer, Sorgen und Haarausfall verursacht. Falls es einem gerade mal zu gut geht und so.

    pps.: Oh, fast vergessen, Stichwort „C1000“: Sehr sachliche und sehr fundierte Informationen zu den gängigen Potenzierungsmethoden und den (für mich herrlichen) Streitereien der verschiedenen homöopathischen Schulen findet man hier:

    http://www.homöopedia.eu/index.php/Artikel:Potenzieren
    http://www.homöopedia.eu/index.php/Artikel:Potenzen
    http://www.homöopedia.eu/index.php/Artikel:C-Potenzen
    http://www.homöopedia.eu/index.php/Artikel:D-Potenzen
    http://www.homöopedia.eu/index.php/Artikel:Q-Potenzen

  14. borstel sagt:

    Aha, Andi hat praktisch die Mathematik aus vier Generationen geerbt bekommen – drollig… Rührt daher auch seine Eloquenz? Wie auch immer, wenn er seine Fallberichte als Buch veröffentlichen sollte (statt hier im Blog), wäre das sicherlich ehrenwert und schön zu lesen. Hoffentlich mit noch mehr Ad-hominem-Argumenten.
    Ganz ohne Ironie: Fallberichte sind interessant, nützlich und exemplarisch, besonders dann, wenn ein Verfahren angewendet wird, dessen Wirksamkeit und Wirkungsweise hinreichend belegt sind. Wenn dies nicht der Fall ist, so sollte ein eindrucksvoller Fallbericht Ansporn für intensive Erforschung des Phänomens sein – und zwar unter Ausschaltung womöglich verzerrender Cofaktoren. Einer der wichtigsten davon dürfte eine Erwartungshaltung des Patienten und des Behandlers gepaart mit beidseitiger hochgradiger Suggestibilität sein – ich hatte erst kürzlich das Vergnügen, dies im Falle eines anderen (nicht homöopathischen) alternativen Verfahrens als Beobachter zu erleben. Zugespitzt könnte ich sagen, daß bei der homöopathischen Anamnese, Bestimmung der Therapie, der ritualisierten Einnahme des Medikaments und so fort enorme Effekte auf die Psyche des Patienten wirken. Und der Homöopath scheint dies noch nicht einmal zu bemerken. Gut, daß diese auch somatisch wirkenden Kräfte offenbar nicht dauerhaft Schaden anzurichten scheinen.
    NB: Wie Andi selbst feststellt, ist die Behandlung des Hörsturzes (eine Übersicht z.B. unter http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/017-010l_S1_Hoersturz_2014-02-abgelaufen.pdf, edit: Link aktualisiert) wahrscheinlich generell nicht sinnvoll. Daher ausgerechnet die Therapie mit NaCl-Infusionen als Beispiel anzubringen, daß auch in der Schulmedizin gar wundersame Dinge geschehen, entbehrt deshalb nicht der unfreiwilligen Komik. Als Analogiebeispiel zur Homöopathie taugt das Hörsturzbeispiel auch aus diesem Grunde nicht. Als Beipiel für die Geschäftstüchtigkeit, die sich auch bei den Allopathen finden läßt (und nicht nur bei den Globuliverordnern), schon.
    Und überhaupt, dieses ewige „Analogisieren“: „Aber auch in der Schulmedizin gibt es Dinge, die sich nicht genau erklären lassen!“ „Ja und wenn schon – was genau bedeutet das für die Homöopathie?“ „Eigentlich nix, aber es klingt halt gut.“

  15. Norbert Aust sagt:

    Hallo Herr Andi (mir ist nicht klar, ob ich Ihren Klarnamen verwenden darf),

    Sie decken mich ja mit Text ein. Da komme ich kaum mit dem Beantworten hinterher. Es besteht ja ein gewisser Unterschied im Arbeitsaufwand zwischen dem Aufstellen einer Behauptung und deren Widerlegung. Kenner nennen den Faktor 1:10.

    Da dies viel Arbeit zu werden verspricht, werde ich unsere Diskussion später zu einem eigenen Blogbeitrag machen. Es ist einfach zu schade, wenn die ganze Mühe irgendwo als Kommentar in den Tiefen des Blogs verschwindet.

    Zwei Dinge vorab:
    Es wundert mich, wie leicht Sie die Pharmakovigilanz nehmen. Es geht nicht darum, ob der junge Mann, bei dem die Nebenwirkungen aufgetreten sind, mit der Behandlung im Ganzen zufrieden war. Es geht vielmehr um die Risikoabwehr für zukünftige Nutzer – die den Hautausschlag vielleicht nicht so locker wegstecken. Nach Ihrer Berufsordnung müssen Sie Verdachtsfälle an Ihre Kammer melden. Insbesondere wenn Sie, wie in diesem Fall, sich der Kausalität sicher sind und die Nebenwirkungen unerwartet waren und unerwartet heftig ausgefallen sind.

    Des Weiteren bitte ich Sie, davon abzusehen, weitere Fallberichte hier zu posten. Das ist sinnlos. Zum einen ist eine Ferndiagnose über Raum und Zeit auf Basis der von Ihnen erinnerten Gegebenheiten nicht zielführend. Zum Anderen liefern Sie keine vollständige Information, die eine abschließende Beurteilung des Falles ermöglichen würde – können Sie auch gar nicht, wie Sie gleich sehen werden.

    Vielleicht noch eine Anmerkung: Es macht das Diskutieren leichter, wenn die Partner das auch meinen, was sie schreiben bzw. dem Selbstgeschriebenen vorbehaltlos zustimmen. Oder ihren Kritikpunkt artikulieren. Ich gehe mal davon aus, dass das der Fall ist.

    Aber zur Sache:

    Arbeiten wir zunächst die „Erstverschlimmerung“ auf.

    Sie zitieren Hahnemann, wonach nur bei einem richtig gewählten Mittel eine Erstverschlimmerung eintreten kann. Um das Geschehen einer homöopathischen Erstverschlimmerung zuordnen zu können, müssen Sie also davon ausgehen, dass das Mittel (a) richtig gewählt und (b) als Homöopathikum wirksam war. Beides sind Annahmen, die sie mit der Aussage, es handele sich um eine homöopathische Erstverschlimmerung eigentlich erst begründen wollen. Das ist ein Zirkelschluss und somit ein logischer Fehler.

    Ich habe mal gelernt, wie wichtig in der Homöopathie selbst kleinste Kleinigkeiten sind, die sich in der Mittelauswahl deutlich niederschlagen können. Dann wundert mich, wie großzügig Sie mit Diagnosen bzw. Beschreibungen von Symptomen umgehen. In Ihrem Kommentar schrieben Sie von einem Hautausschlag, “ der aussieht, als wäre er in einen Kochtopf gefallen: knallroter Rumpf und Gesicht mit Sekretion von Wundwasser.“

    Eine Vergiftung mit Stramonium aber ruft nach Ihren Worten jedoch einen „Flush“ hervor, eine Hautrötung aufgrund erhöhter Durchblutung. Damit ist ein solcher Flush zwar möglicherweise eine Begleiterscheinung eines Hautausschlages, dies müsste doch aber deutlich von einem solchen unterscheidbar sein, der sich aufgrund einer Vergiftung und damit dem angeregten Kreislauf ergibt. Ich vermute zwischen diesen beiden Beschreibungen einen himmelweiten Unterschied, insbesondere für Homöopathen von eminenter Bedeutung. Ich muss aber konstatieren, nicht über nennenswerte medizinische Kenntnisse zu verfügen. Ich denke also, dass die Ähnlichkeit zwischen dem, was der junge Mann erlebt hat und den Vergiftungserscheinungen durch Atropin, dem Wirkstoff des Stramonium, nur höchst oberflächlich ist. Der Zusammenhang der Situation des Patienten mit der Toxikologie des Stramoniums scheint mir nicht gegeben.

    Sie sehen sich als Naturwissenschaftler, der kritische Schlüsse zieht. Das, was Sie dafür halten, hat aber mit einer wissenschaftlichen Herangehensweise nichts zu tun. Wissenschaft ist Zweifel und deren Beseitigung, nicht der Glaube an eine nur im Rahmen einer wirren Heilslehre plausibel klingende Hypothese. Sie müssten anders vorgehen, um einen wissenschaftlichen Irrtum auszuschließen:

    Eine Annahme oder Hypothese ist nicht dann akzeptabel, wenn man sie vermeintlich irgendwie begründen kann, sondern dann, wenn sie beobachtete Phänomene besser erklären kann als mit Hilfe der bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnis. Das läuft darauf hinaus, dass Sie sich überlegen müssten, ob es andere mögliche Erklärungen für Ihre Beobachtung gibt, die mit größerer Wahrscheinlichkeit zutreffen könnten als die Ihre.

    Wenn man das tut, dann muss man sich die Frage stellen, warum werden die Menschen krank (oder gesund)? Welche Mechanismen sind dafür bekannt? Ich weiß nicht ob diese Liste vollständig ist, aber das fällt mir dazu so ein:

    – Unerwünschte Wirkung eines Arzneimittels oder einer Therapie, das ist es worauf die Erstverschlimmerung hinausläuft, wenn man nur die Fakten ins Kalkül zieht, die man tatsächlich kennt.
    – Placebo- oder Nocebo-Effekt. Ich denke, da ist keine weitere Erklrärung notwendig
    – Natürlicher Verlauf einer parallel aufgetretenen aber unerkannten Krankheit. Als Beispiel vielleicht eine allergische Reaktion auf ein Waschmittel in der Kleidung? Farbstoffe? Lösemittelreste? Oder ein Infekt? Da sind sehr viele Dinge denkbar.
    – Verschlimmerung einer latenten chronischen Erkrankung
    – Nebenwirkung irgendeiner anderen Therapie, die mit diesem Fall nicht in Beziehung steht und über die, da sie nicht als wichtig wahrgenommen wurde, nicht berichtet wird
    – Nebeneffekte von Maßnahmen, die mit keiner medizinischen Behandlung in Verbindung stehen, ungewöhnliche Würzung des Essens beispielsweise.
    – Emotionale Ursachen (wenn es denn ein Flush war und kein Hautausschlag)
    – Irrtum in der Beobachtung: Der Mann hat Sie nie wieder wegen Hautausschlag konsultiert – hatte er wirklich keinen, oder hat er nur einen anderen Arzt aufgesucht, einen Hautarzt zum Beispiel?
    – Irrtum in der Diagnose – was jetzt nur? Flush? Ausschlag? Oder was ganz Anderes?

    Aus Ihrer Schilderung können Sie einige dieser Punkte ausschließen, beispielsweise dass eine chronische Krankheit vorlag. Aber können Sie andere Infektionen ausschließen, allergische Reaktionen unbekannter Ursache etc?

    Das können Sie nicht, dazu haben Sie zu wenige Informationen. Das können wir auch nicht in dieser Diskussion, wenn, wie ich vermute, Sie die Fälle aus Ihrem Gedächtnis zitieren. Das ist nämlich besonders tückisch, gerade über längere Zeit. Lücken in der Erinnerung werden üblicherweise mit für das Individuum plausiblen Annahmen zu einem schlüssigen Ganzen ergänzt – was nicht unbedingt mit der Realität übereinstimmt. Meistens sogar nicht (Lesen Sie Kahnemann, Schnelles Denken, langsames Denken. Das ist da sehr aufschlussreich).

    Sie können auch keine Fakten vorlegen, nach denen es schon einmal zweifelsfrei aufgetreten ist, dass ein Globulus in Hochpotenz eine Wirkung entfaltet hätte, die auf die Urtinktur zurückgeführt werden könnte. Es liegt auch keine plausible Erklärung vor, wie diese Wirkung zustande gekommen sein könnte.

    Quintessenz: Es gibt eine unwahrscheinlich unwahrscheinliche Lösungsmöglichkeit, nämlich, dass das eine Globulus C1000 die Ursache für den Ausschlag des Mannes war. Wobei bei der Verdünnung nur eine Wahrscheinlichkeit von 1 : 1(1920×0) dafür besteht, dass auch nur ein Molekül aus der Urtinktur überhaupt in unserem Universum zugegen ist. Es gibt hingegen eine handvoll Lösungsmöglichkeiten, die den Vorgang durchaus im Rahmen unserer Kenntnisse der Naturgesetze erklären könnten – und von daher wesentlich wahrscheinlicher und plausibler sind. Wir wissen nur nicht, welche der Erklärungsmöglichkeiten genau richtig ist. Das ist aber mit Sicherheit keine stichhaltige Begründung dafür, dass die abstruseste der Erklärungen die Richtige ist.

    C1000 = 1:100^1000 ergibt eine 1 mit 2000 Nullen dahinter.
    1000^100 ergibt eine 1 mit 300 Nullen dahinter. Der Unterschied ist rein akademisch

    Aber ich bitte, die Anspielung auf die Mathematik zu entschuldigen.

  16. Andi sagt:

    Eine Ergänzung: Befragen wir die Toxikologen, so wird tatsächlich überall bei einer Vergiftung mit Stramonium auch der „Flush“, die Hautrötung beschrieben, siehe z.B. hier:
    http://www.vetpharm.uzh.ch/perldocs/index_y.htm
    Aber mit toxikologischen Büchern ist es wie mit Arzneimittellehren der Homöopathie: Im Grunde sind sie alle ähnlich, in Feinheiten können sie geringfügig voneinander abweichen.

  17. Andi sagt:

    Und um mit dem Thema Erstverschlimmerung weiterzumachen, erlaube ich mir, einen zweiten Fall zu bringen:
    Es war etwa 1997, ich hatte kaum Erfahrung mit Homöopathie und war damals Truppenarzt der BW. In meiner Sanitätseinheit gab es einen tüchtigen Unteroffizier, der eines Tages eine Treppenstufe übersah, worauf es ihm furchtbar ins Kreuz schoß: ein Hexenschuss par exzellance. Über 2-3 Wochen versorgte er sich mit Diclofenac, Finalgonsalbe usw., was so gut wie keine Linderung brachte. Nach dieser Leidenszeit sprach er mich an und bat um einen Tipp, als ich gerade mit allen anderen Ärzten zum Joggen aufbrach. Ich verabreichte 2 globuli Rhus tox D6 und versprach, mich seiner nach dem Joggen anzunehmen.
    Wir Ärzte staunten nicht schlecht, als wir nach 1h wiederkamen: Er lief den Flur auf und ab und stöhnte, es sei unerträglich schlechter geworden! Er könne gar nicht mehr stehen, liegen oder sitzen – einzig Bewegung bringe etwas Erleichterung. Ich untersuchte und riet zum Abwarten. 3h später war der Patient völlig symptomfrei.

    Ich schildere nur eine Beobachtung eines Falles, den ich erstaunlich finde. Homöopathisch gesehen liegt wieder eine Erstverschlimmerung vor, auf die die Heilung folgt, weil das Mittel exakt passte. Was denken Sie als Skeptiker darüber?
    (Ich bin sehr gespannt, aber kommen Sie mir bitte nicht wieder mit so plumpen Phrasen wie, ich solle mich mit Mathematik beschäftigen: Das ist verletzend, wo die letzten 4 Generationen meiner Vorfahren Mathematiker und Physiker waren.)

  18. Andi sagt:

    Weiter fragen Sie, worauf ich mich berufe, wenn ich den Hautausschlag kausal mit der Gabe des Mittels in Verbindung bringe:
    Nun, wie ich schrieb, beobachte ich als Naturwissenschaftler, wie in einem Experiment: Jemand bekommt eine Arznei und in den Folgestunden tritt ein Hautausschlag auf – da denkt jeder Beobachter aufgrund der zeitlichen Nähe an einen Zusammenhang, aber das post hoc… hatten wir ja auch schon. Also frage ich mich, welche Ursachen sonst noch infrage kommen, aber ich wurde nicht fündig.
    Postulieren wir aber, dass Stramonium beim Gesunden solche Ausschläge hervorrufen kann (z.B. bei einer Vergiftung), dann wäre eine Erstverschlimmerung im Sinne Hahnemanns eine plausible Erklärung. Übrigens darf ich aufgrund Ihrer Anmerkung (Meldung BfArm,etc) noch anfügen: Ich war erschrocken aber der Mann war glücklich, weil es ihm besser als zuvor ging: Der Ausschlag störte ihn weniger, er war froh, dass Ängste und Stottern etwas nachgelassen haben!

  19. Andi sagt:

    Bleiben wir bei der Erstverschlimmerung: Dies ist nach der Lehre Hahnemanns nicht dasselbe, als wenn Irgendjemand eine Hochpotenz einnimmt – eine Erstverschlimmerung tritt nur auf, wenn das Mittel genau auf die Beschwrden passt, aber die Dosis falsch ist. Hier muss ich also klar sagen, dass Ihr Vergleich zwischen der Einahme irgendeiner Hochpotenz durch Sie als Skeptiker und der Erstverschlimmerung durch die Einnahme einer speziell passenden Medikation bei dem genannten Patienten einfach falsch ist, weil diese beiden Dinge völlig unterschiedlich und somit nicht vergleichbar sind.

  20. Andi sagt:

    Lieber Herr Aust, der Heftigkeit Ihrer Wortwahl entnehme ich, dass es eine sehr gute, hoffentliche fruchtbare Diskussion geben wird. Dafür vorab vielen Dank!
    Was meine Position angeht, so liegen Sie nicht ganz richtig:
    Ja, ich führe eine Arztpraxis und ja, nebenbei mache ich auch homöopathische Behandlungen – trotzdem bin ich Keiner, der die Homöopathie bis aufs Messer verteidigt, sondern ich bin Naturwissenschaftler im weitesten Sinn und als solcher beobachte ich und ziehe kritische Schlüsse, manchmal für und manchmal wider solche Verfahren. Und was mich eben immer wieder fasziniert sind Beobachtungen wie bei dem genannten Mann, die einer Erklärung bedürfen – und diese Diskussion über eine Erklärung habe ich begonnen, weil ich eben nicht eine vorgefasste Meinung habe, sondern weil ich gespannt bin, was an Erklärungen von allen Seiten zutage tritt. Aus diesem Grund schrieb ich auch „aus homöopathischer Sicht… kam es zu einer massiven Erstverschlimmerung…“ – ohne dass ich dem vorbehaltlos zustimme.

  21. Norbert Aust sagt:

    Frau Astrid D: Möglicherweise (!) ein (!) Punkt für Sie.

    Zunächst ist das nur ein Punkt. Ich hatte drei angeführt. Sie sagen jetzt, dass die Vermutung, der Hautausschlag sei durch das Homöopathikum hervorgerufen, wenigstens innerhalb Ihrer Lehre konsistent zu sein scheint, weil dieses Symptom bei Stramonium aufgeführt sei. Es bleibt offen, worauf die Vermutung von Andi beruht, da jedwede Vorstellung fehlt, wie die Wirkung zustande kommen könnte, ganau so wie irgendeine belastbare Evidenz.

    Sie schreiben, ich müsste die richtigen Nachschlagewerke nutzen. Das wirft die Frage auf, wie man, oder besser, wie Sie die erkennen. Es gibt ja offensichtlich recht viele verschiedene Repertorien und Materia Medica. Entweder steht in allen das Gleiche drin, dann ist der große Teil davon überflüssig, oder nicht. Dann fragt sich, welche Verfahren innerhalb der Homöopathie entwickelt wurden, zutreffende von unzutreffenden Informationen zu unterscheiden. Ich vermute: keine. Es stimmt einfach Alles. Das erklärt dann auch, dass innerhalb einer Materia Medica für das gleiche Mittel sich widersprechende Symptome gelistet sind. Sehen Sie bei Hahnemann mal nach dem Schlaf bei dem Mittel ‚Stechapfel‘ und Sie wissen, was ich meine.

    Dann, das hatte ich in meinem Kommentar vergessen zu erwähnen, ist das, was Andi da berichtet, ein typisches Bedarfsargument: Wenn es gerade passt, wird es hervorgekramt, sonst nicht. Sehen Sie, wenn wir Skeptiker Hochpotenzen schlucken und damit zeigen, dass Homöopathika keine Wirkung innewohnt, kommt recht schnell das Argument, dass man ja sehe, wie wenig wir von der Materie verstehen. Es wisse doch schließlich jeder, dass Prüfsymptome nur eintreten, wenn man die Mittel über längere Zeit einnimmt.

    Hier hat ein Mann einmal ein Kügelchen eingenommen – und schon ist völlig klar, dass der Ausschlag eine Folge der Einnahme des Homöopathikums sein muss. Dass dies im Widerspruch zu anderen Aussagen steht, das stört keinen echten Homöopathen. Solange das Argument passt. Was braucht es eine widerspruchsfreie Lehre? Die steht doch eh nur im Weg, wenn man sich was hinschwurbeln will. Irgendwelche Quellen oder Evidenz gar ist auch zu anstrengend.

    Übrigens: Wieso wurde dem BfArm nicht gemeldet, dass nach der Einnahme eines frei verkäuflichen Arzneimittels heftige Nebenwirkungen eingetreten sind? Wieso dürfen solche gefährlichen Mittel in der Apotheke ohne Rezept verkauft werden? Wieso gilt die Homöopathie als sanft und sicher, wenn man sich doch erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen zuziehen kann, schon nach einer einmaligen Gabe?

    Frau Astrid D.: den Punkt kriegen Sie, wenn Sie auf diese Fragen sinnvolle Antworten haben.

  22. Astrid D. sagt:

    Seideneder, Mitteldetails der homöopathischen Arzneimittel: Stramonium: Haut: Haut heiß und trocken, wie Scharlachausschlag aussehend~plötzliche, leuchtende Rötung ~ intensives, leuchtendes, scharlachrotes Exanthem am ganzen Körper….. ich glaube, man muß nicht mehr schreiben. Insgesamt 29 Einträge für Hautsymptome. Man sollte die richtigen Nachschlagewerke benutzen.

  23. Norbert Aust sagt:

    Andi
    Ihre Argumentationsweise wird erklärlich, wenn man auf Ihrer Praxisseite liest, dass sie als Arzt die Zusatzbezeichnung Homöopathie führen.

    Ihr erster Kommentar (8.12.2016, 20.11) entkräftet mein Argument nicht, dass die Tatsache, ob ein Stoff eine spezifische Wirkung entfaltet, mit einem Versuch zu prüfen wäre und nicht mit ‚Erachten‘ oder ‚Lehrmeinung‘ zu klären ist.

    Sie glauben, dass die meisten Homöopathen selbstkritisch sind. Schön, fragen wir mal nicht nach, was für diese Annahme spricht, außer dass Sie glauben, dass es in Ihre Argumentation passen würde, wenn sie zuträfe. Na und? Was beweist das?

    Woher wissen Sie, dass der Hautausschlag des jungen Mannes aus Ihrem Beispiel ursächlich von dem Homöopathikum herrührt? C1000! Verdünnung 1 : 0,(1999×0)1!
    Anmerkung: Sie sollten sich vielleicht mit der dem Potenzieren zugrundeliegenden Mathematik näher beschäftigen.

    Wie kommen Sie auf die Idee, dass das Homöopathikum den Hautausschlag des jungen Mannes kausal verursacht haben könnte? Kennen Sie irgendeine Modellvorstellung, nach der das möglich wäre? Haben Sie irgendeine Evidenz, dass Hochpotenzen eine spezifische Wirksamkeit entfalten? Dass Stramonium Hautausschläge verursacht, widerspricht ja sogar Ihrer eigenen Lehre: Hier, in dieser Zusammenstellung ist nicht andeutungsweise von Hautausschlägen zu lesen: http://www.homoeopathie-homoeopathisch.de/homoeopathische-mittel/Stramonium.shtml

    Worauf gründet sich also Ihre Vermutung – außer wieder darauf, dass es für Sie in die Argumentation passen würde, wenn es so wäre?

  24. Andi sagt:

    Der arme Mann entwickelt in den Folgestunden einen Hautausschlag, der aussieht, als wäre er in einen Kochtopf gefallen: knallroter Rumpf und Gesicht mit Sekretion von Wundwasser.
    Zu mir kommt er nur, weil er eine Krankschreibung will. Seine Ängste und das Stottern sind etwas besser, aber kein durchschlagender Erfolg.
    Was ist aus homöopathischer Sicht passiert? Es kam aufgrund einer viel zu hohen Potenz (C1000) zu einer massiven Erstverschlimmerung, die dann im Laufe einer Woche von alleine wieder abgeklungen ist.
    Das ganze Geschehen ist ca. 7 Jahre her und ich sehe den Mann noch regelmäßig: Er hat nie wieder Hautprobleme gehabt, auch nie wieder Stramonium o.ä. eingenommen. Er stottert noch immer. Der Fall wurde vor Jahren in der MMW mit Fotos publiziert.

    Wenn man die Homöopathie als Unsinn einstuft, bleibt nur der Erklärungsversuch „zeitlich zufälliges Zusammentreffen mit einer unbekannten Hauterkrankung“ … das ist aber doch unbefriedigend, oder nicht?

  25. Andi sagt:

    Ein junger Mann läßt sich wegen Ängsten und Stottern homöopathisch behandeln. Er hat sonst keinerlei Erkrankung, keine Medikamente, Nichts. Die Heilpraktikerin macht eine Erstanamnese und gibt ihm in der Praxis 1 globulus Stramonium C1000 (Die Pflanze Engelstrompete 1000*100 fach verdünnt/“potenziert“).
    Was passiert?

  26. Andi sagt:

    Aber kommen wir doch zurück auf das Fallbeispiel: Ich glaube, die meisten Homöopathen sind schon auch sich selbst gegenüber so selbstkritisch, dass sie ihr Vorgehen reflektieren, und somit auch die fehlenden Wirksamkeitsbelege. Aber da sind dann immer wieder so überraschende Heilungen oder auch Erstverschlimmerungen, die auf keine andere Art und Weise erklärbar sind, was für den Therapeuten ein Beleg zum Weitermachen ist, da hier Wege zur Heilung für den Pat. nutzbringend sind. Ich glaube allerdings mitnichten, dass es viele Homöopathen nur zum Viel-Geld-Verdienen ausüben, das ginge auf andere Art viel leichter und lukrativer.

    So, und jetzt bringe ich mal einen solchen Fall in die Diskussion ein, der wirklich erstaunlich ist:

  27. Andi sagt:

    Vor Jahren noch wurde überall HAES (Hydroxyaethylstärke) verwendet, bis dieses wegen angeblich unvertretbarer Risiken als obsolet eingestuft wurde. Seitdem verwenden die meisten Ärzte Kochsalzlösung, manchmal noch mit einem Schuß Ginko oder Kortison, je nach Geschmack – aber alles ohne wissenschaftliche Belege.
    Es gibt also m.E. keinen wirksamen Wirkstoff, und natürlich ist auch die Heilungsquote ohne Therapie gut.

  28. Norbert Aust sagt:

    Andi, auch bei mir regt sich Widerspruch.

    Ein Therapeutikum wird nicht aufgrund einer Lehrmeinung zu einem wirkstoffreien Placebo, sondern dadurch, dass es bei der betrachteten indikation keine spezifische Wirkung hat. Es gibt sogar medizinische Indikationen, bei denen blankes Wasser sehr wirksam ist, bei Dehydrierung zum Beispiel.

    Wenn also die Kochsalzlösung eine Wirkung hat, wie Sie sagen, dann müsste man fragen, ob diese von der Gegenwart des Salzes abhängig ist. Ob etwa beim Fehlen des Salzes die gleiche Wirkung auftritt, oder wenn ein anderer Elektrlyt als Kochsalz verwendet wird. Wenn ja, dann ist das ein usnpezifischer Effekt. Wenn aber der Effekt nur bei Kochsalz eintritt, seine Stärke vielleicht sogar abhängig von der Konzentration oder Dosierung ist, dann handelt es sich um eine spezifische Wirksamkeit des Kochsalzes. Egal ob die Kochsalzlösung bei anderen Indikationen als wirkstoffrei angesehen wird.

    Übder die Wirksamkeit der „Droge Arzt“ und deren ungleiche Verteilung und Honorierung zwischen Homöopathen und Nicht-Homöopathen sind wir uns einig.

  29. Andi sagt:

    Ich muss Ihnen insofern widersprechen, als Kochsalzinfusionen nach gemeingültiger Lehrmeinung keinen Wirkstoff enthalten.
    Alle HNO-Ärzte, die ich dazu befragt habe, bestätigen jedoch, dass auch allein auf Kochsalzinfusionen eine eindeutige Wirkung bei Hörsturz und Tinnitus auftritt. Das post hoc ergo propter hoc trifft hier ebenfalls zu.

    Wer auch immer morgen einen Hörsturz erleiden wird, wird beim HNO-Arzt Infusionen erhalten – übrigens als Igel-Leistung, weil es ja keinen Wirksamkeitsnachweis gibt.
    Wer auch immer morgen einen Schnupfen erleiden wird, wird beim Arzt ein Mittel verschrieben bekommen, für das es keinen seriösen Wirksamkeitsnachweis gibt.
    Und wer morgen mit einem Schnupfen zu einem gut aus- und fortgebildeten, erfahrenen homöopathischen Arzt gehen wird, wird aller Wahrscheinlichkeit mindestens eine genauso gute wenn nicht sogar effektivere Hilfe erhalten als beim Fall zuvor. Dabei spielt natürlich auch „die Droge Arzt“ eine Rolle: Der genannte Homöopath wird aufgrund der Methodik viel genauer nachfragen, welche Beschwerden sich wie äußern, wodurch sich auch der Patient mit dem banalen Schnupfen angenommen fühlt, was der Heilung dienlich ist. Aber gerade solche feinen Unterschiede sind mit den Mitteln der doppelblinden Studien kaum erfassbar – ebenso wenig fassbar wie die von Physikern postulierte dunkle Materie, und diese macht physik. Berechnungen zufolge mindestens 1/4 des Universums aus. In der Medizin sind wir in vielen Bereichen leider noch erkenntnisloser als die Astrophysiker.

  30. Norbert Aust sagt:

    Alle diese Arzneimittel, von denen Sie sprechen, weisen einen fundamentalen Unterschied zur Homöopathie auf: In / an / auf den Körper des Patienten gelangt tatsächlich ein Wirkstoff. Demzufolge ist Ihre Analogie („Ähnlich die Homöopethie …“) ganz augenscheinlich falsch. Dann unterliegen Sie einem Fehlschluss den man als ‚Post-oc-ergo-propter-hoc‘ bezeichnet („danach also deswegen“). Ich kann den von Ihnen angesprochenen Fall natürlich nicht kommentieren – Sie teilen mir ja nur die Umstände mit, die Ihre Sichtweise stützen – aber Heilungsursachen gibt es eine ganze Menge.

  31. Andi sagt:

    Auch in der Schulmedizin gibt es unglaublich viele Krankheiten und Arzneimittel, die wissenschaftlich noch nicht erklärbar sind. Trotzdem werden auch diese Medikamente tagtäglich mit Nutzen eingesetzt. Bsp.: Infusionen bei Hörsturz und Tinnitus. Die Erfahrung zeigt, es wirkt, auch wenn Studien, die die Wirksamkeit belegen, fehlen, und die Wissenschaft keine Erklärung bietet.
    Ähnlich die Homöopathie: Ich habe jugendliche Patienten mit schulmedizinisch austherapierter Vasculitis gesehen, die tagtäglich blutigen Stuhl ausgeschieden und diverse Hämatome bei Bagatelltraumata hatten – was auf wenige Gaben eines homöopathischen Arzneimittels anhaltend verging, auch wenn niemand sagen kann, wieso u. weshalb. Die Wirkung gleicht manchmal einem Wunder.

  32. 2xhinschauen sagt:

    Habe Leserückstand, daher habe ich diesen Rant erst heute wahrgenommen. Hat mir ausnehmend gut gefallen, auch wenn die eine oder andere Spitze ein paar Vorkenntnisse erfordert (z.B. „Wo sind die Warnhinweise?“ zum Thema Ähnlichkeitsprinzip).

    Norbert, Du schreibst doch sonst so sachlich und höchstens mild-ironisch. Im Repertorium in der Zeile verrutscht und versehentlich Ironium Significans geschluckt?

    Oder der WissHom-Reader war einfach zu … hochpotent.

  33. Pingback: Video: „Homöopathie – Nutzen oder Scharlatanerie?“ in 3sat @ gwup | die skeptiker

  34. Joseph Kuhn sagt:

    Die Idee mit dem Warnhinweis finde ich gut. So was gehört zumindest auf den Beipackzettel. Man könnte noch zu den sehr seltenen Nebenwirkungen dazuschreiben, dass in weniger als 1 von 10.000 Fällen einem ein Licht aufgehen kann.

  35. Pingback: „Grassierender Humbug“: Homöopathie im Laborjournal – und sogar im „Economist“ @ gwup | die skeptiker

  36. Timo G sagt:

    Es gibt Globuli mit Antimaterie, Vakuum, schwarzen Löchern, Berliner Mauer und wer weiß was noch. Ganz so abwegig ist das mit dem Einhornpulver also nicht 🙂

  37. lanzelot sagt:

    Möglicherweise wird der Grundsatz der renommierten Journale, Logik, Fakten und wissenschaftlichen Aspekten verpflichtet zu sein langsam ausgehölt
    Auch wissenschaftliche Journale funktionieren am Ende als ökonomische Einheit
    Das kann man ihnen nicht vorhalten (also man kann schon, aber das wäre heuchlerisch.)

    Die Trennlinie verläuft nicht mehr so scharf wie früher
    Einiges an Hokus-Pokus, der in Bereichen auftaucht, wo ich es nie für möglich
    gehalten hätte

    Abgesehen davon
    Ja, der Artikel ist erste Klasse !!!

    Und das Forschungsprojekt über regenbogenfarbene Einhörner auf Hawaii wird nicht unterstützt, also das verstehe wer will
    Wird aus deren Hörnern nicht die Grundsubstanz für die Hälfte aller Homöodingens gewonnen

  38. Pingback: Karl Lauterbach kritisiert die typischen Heilpraktiker-Märchen @ gwup | die skeptiker

  39. Timo G sagt:

    Sehr guter Artikel. Homöopathie ist nichts weiter als gut finanzierte Esoterik, die sich als Wissenschaft tarnt. Studien über Homöopathika findet man nie in angesehen wissenschaftlichen Journalen und das obwohl sie doch nach ganz eigenen Naturgesetzen funktionieren will. Schon komisch. Noch komischer finde ich aber, dass Studien über etwas angefertigt werden, das nicht mal plausibel ist. Plausibilität ist Grundlage einer jeden Forschung. Warum gilt das hier nicht? Mein Forschungsprojekt über regenbogenfarbene Einhörner auf Hawaii will mir auch keiner finanzieren.

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