Die Diskussion um das ‚Studium der Homöopathie auf Hochschulniveau‘ in Traunstein hat sich immer mehr weg von der Diskussion über die Homöopathie selbst hin zu Fragen über Anerkennung und Akkreditierung von Hochschulen und Studiengängen entwickelt. Daher soll hier der Versuch unternommen werden, einen Überblick über diesen Themenkomplex zu geben. Das ist zwar nicht unbedingt ein sehr spannendes Thema – es könnte jedoch eine erhebliche Brisanz entwickeln, nicht nur in Richtung der Traunsteiner Akademie, sondern auch für andere bereits bestehende alternativmedizinische Studiengänge, die von der Steinbeis-Hochschule-Berlin direkt oder in Zusammenarbeit mit anderen Instituten angeboten werden.
Die Steinbeis-Hochschule-Berlin (SHB)
Der Träger der Steinbeis-Hochschule-Berlin ist die private Steinbeis-Stiftung, die sich dem Technologie- und Wissenstransfer widmet. Wie kann die Wirtschaft, insbesondere auch kleine und mittelständische Unternehmen, in den Stand versetzt werden, neue wissenschaftliche Erkenntnisse und Methoden in eigene Produkte und Verfahren umzusetzen? Diesem Ziel dient auch die Steinbeis-Hochschule-Berlin, die stark anwendungsbezogene Studiengänge anbietet, hauptsächlich in den wirtschafts- und ingenieurwissenschaftlichen Disziplinen, aber eben auch im Bereich der Medizin. Prinzipiell verfolgt man also durchaus sinnvolle und ehrenwerte Ziele, innerhalb derer das Engagement für die Alternativ- und Komplementärmedizin vielleicht eine Sonderstellung einnimmt.
Um ihren Kundenkreis zu erreichen, hat die SHB ihren Lehrbetrieb auf sehr viele einzelne ‚Schools‘ oder ‚Institutes‘ genannte Einheiten aufgeteilt, die überregional in ganz Deutschland ihre Leistungen anbieten. Feuerwächter hat in einem aktuellen Blogbeitrag das Engagement der SHB auf dem alternativmedizinischen Gebiet aufgearbeitet. Als Ergebnis findet sich auch eine ganze Reihe von Studienangeboten in Fächern, die in der konventionellen Medizin als umstritten gelten, die zum akademischen Grad des Bachelor of Science (BSc oder B.Sc.) oder auch zum Master (MSc oder M.Sc.) führen sollen.
Anforderungen an Hochschule und Studiengänge
Nun kann nicht jeder einfach so Studiengänge anbieten und den Absolventen irgendwelche mehr oder weniger phantasievollen akademische Grade eines Bachelor of Science of Irgendwas verleihen. Wie hier bereits dargelegt, dürfen dies nur staatliche oder staatlich anerkannte Hochschulen tun (staatliche Berufsakademien sind für diese Betrachtungen nicht relevant). Das war zwar noch nie anders, aber seit einiger Zeit dürfen selbst die einzelnen europäischen Staaten auf diesem Gebiet nicht mehr machen, was sie wollen, sondern müssen sich an europaweit gültige Regeln halten.
Was Pisa für die Schulen ist, ist Bologna für die Hochschulen (s. Artikel in der Wikipedia). Dort, am Standort der ältesten europäischen Universität, wurde 1999 eine Erklärung unterzeichnet, die das Ziel festschrieb, die Studienbedingungen und Studienabschlüsse auf europäischer Ebene zu vereinheitlichen und damit vergleichbar zu machen. Für Deutschland wurde dies 2003 in eine ‚Länderübergreifende Vorgabe zur Akkreditierung‘ umgesetzt (Link), die letztlich in die Hochschulgesetze der Länder eingeflossen ist.
Was folgt daraus nun?
Prinzipiell ist es an zwei Voraussetzungen gebunden, dass eine Hochschule in einem bestimmten Studienfach einen akademischen Grad vergeben kann:
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Die Bildungseinrichtung muss als Hochschule staatlich anerkannt sein.
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Für den Studiengang muss sichergestellt sein, dass er auch europaweit gültige Anforderungen erfüllt. Trifft dies für einen Studiengang zu, dann wird er für eine bestimmte Frist (erstmalig 5, dann 7 Jahre) akkreditiert.
Ein Studiengang, bei dem nicht beide Anforderungen erfüllt sind, darf nicht zu einem akademischen Grad führen oder zu einem Titel, der mit einem akademischen Grad verwechselt werden könnte.
In meinen früheren Beiträgen hatte ich mich sehr stark mit der staatlichen Anerkennung der Hochschule auseinandergesetzt, deren Bedingungen in den Hochschulgesetzen der Länder festgeschrieben sind. Diese richten sich mehr nach der Ausstattung der Hochschule, darin allerdings auch die Qualifikation des Lehrpersonals. Die Akkreditierung betrachtet hingegen sehr stark den Inhalt des einzelnen Studiengangs selbst.
Akkreditierung
Aus der europäischen Gesetzgebung folgt, dass für jeden Studiengang, der zu einem akademischen Grad als Bachelor oder Master führen soll, eine Akkreditierung durchgeführt werden muss. Einen guten Einstieg in diese Thematik findet man in dem entsprechenden Artikel der Wikipedia (Link). Bei der Akkreditierung wird formal und inhaltlich geprüft, ob der Studiengang den europaweit gültigen Vorgaben entspricht. Für einen Bachelor-Studiengang wären dies unter anderem:
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Es müssen wissenschaftliche Grundlagen, Methodenkompetenz und berufsfeldbezogene Qualifikationen vermittelt werden.
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Die Regelstudienzeit beträgt sechs, sieben oder acht Semester.
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Nachweis von nicht weniger als 180 ECTS-Punkten, wobei ein ECTS-Punkt einem Arbeitsaufwand von etwa 25 bis 30 Stunden entspricht, zusammen also etwa 5000 Stunden, also etwa 3 Jahre Vollzeit. Zum Vergleich: Die Jahresarbeitszeit beträgt in der Metallindustrie etwa 1500 Stunden.
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In einer Abschlussarbeit ist die Fähigkeit nachzuweisen, innerhalb einer bestimmten Frist ein Problem aus dem jeweiligen Fach selbstständig nach wissenschaftlichen Methoden zu bearbeiten, Arbeitsaufwand zwischen 150 und 360 Stunden (ein bis zwei Monate Vollzeit).
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Die Schlüssigkeit des Studienkonzepts und die Studierbarkeit des Lehrangebots sind von den Hochschulen sicherzustellen und in der Akkreditierung zu überprüfen.
Darüber hinaus gibt es Vorgaben, wie die Studieneinheiten (‚Module‘) aufzubauen, zu beschreiben und zu bewerten sind.
Die Vorgabe ist, dass die Akkreditierung eines Studiengangs durch unabhängige Experten erfolgt, also Lehrende und Studierende anderer Hochschulen, sowie durch Vertreter der Berufspraxis. Durchgeführt wird dies von Akkreditierungsagenturen, die entsprechende Teams zusammenstellen, die dann den betreffenden Studiengang detailliert durchleuchten.
Diese Agenturen sind ihrerseits wieder durch einen übergeordneten Akkreditierungsrat selbst akkreditiert und damit berechtigt, diese Überprüfungen auch vorzunehmen und den Erfolg mit einem Gütesiegel zu bestätigen. Die Ergebnisse, zumindest wenn die Akkreditierung erfolgt, ggf. auch mit Auflagen, werden in einer Datenbank veröffentlicht (Link).
Das klingt jetzt nach einem ganz furchtbaren Verwaltungsakt, trotzdem ist das Vorgehen nicht ohne Raffinesse. Zunächst stehen die Agenturen selbst unter der Kontrolle seitens des Akkreditierungsrats, der ihnen auch die Berechtigung zur Akkreditierung entziehen kann. Damit ist eine gewisse Sicherheit geboten, dass sich die Agentur an ihre Vorgaben hält. Die Agenturen selbst werden zwar zumeist von Stiftungen betrieben, die nicht gewinnorientiert arbeiten – aber die Folgen einer entzogenen Akkreditierung wären für die Beteiligten doch mit einem beträchtlichen Verlust an Reputation verbunden und von daher äußerst blamabel.
Darüber hinaus beinhalten die veröffentlichten Akkreditierungen auch die Namen derer, die die Akkreditierung vorgeschlagen haben, wovon man sich beim Surfen in der Datenbank des Akkreditierungsrates überzeugen kann, z. B. hier durch Klick auf den Schriftzug ‚mehr…‘. Auch dies sorgt dafür, dass man sicher nur solche Entscheidungen trifft, die man auch öffentlich vertreten kann.
Noch detailliertere Informationen zur durchgeführten Akkreditierung eines Studiengangs findet man üblicherweise auf der Webseite der der Akkreditierungsagentur selbst. Beispiel: Der Bachelor-Studiengang der SHB ‚Business Administration‘ wurde von der FIBAA akkreditiert. Auf deren Webseite – die Links kann man sich googeln oder über die Wikipedia (hier) finden – sind die ausführlichen Berichte aller durchgeführten Akkreditierungen zu finden. Darunter auch der für den genannten Bachelor Studiengang (Link). Okay, etwas umständlich das Ganze, aber es geht – irgendwie.
Der Akkreditierungsrat selbst setzt sich aus Personen zusammen, die von der Kultusministerkonferenz und der Rektorenkonferenz jeweils für vier Jahre bestimmt werden. Sie setzen sich aus Hochschullehrern, Vertretern der Kultusministerien, der Wirtschaft, der Studenten und – was wichtig ist – auch von Mitarbeitern von Hochschulen außerhalb Deutschlands zusammen.
Natürlich klingt das alles nach viel Verwaltung, langen Entscheidungswegen, vielleicht auch Trägheit – aber unter den gegebenen Bedingungen halte ich das Vorgehen doch für gelungen, irgendwelche Günstlingswirtschaft weitestgehend auszuschließen. Will heißen: Ein Studiengang, der diese Prüfung übersteht und seine Akkreditierung erhält, dürfte in der Tat sicher den europaweit gültigen Anforderungen entsprechen. Jedenfalls erscheint es mir, als sei mit den Mitteln, die dem Staat zur Verfügung stehen, kaum etwas Besseres erreichbar.
Natürlich sind die Überprüfungen zunächst eher formaler Natur und es wird beispielsweise nicht geprüft, ob Homöopathie an sich überhaupt die Voraussetzungen für eine Wissenschaft erfüllt. Dies kommt allerdings über gewisse Umwege ins Spiel, wenn man sich betrachtet, wie denn die einzelnen Lehrabschnitte (‚Module‘) in der Darstellung zu beschreiben sind, hier nur der Punkt ‚Inhalte und Qualifikationsziele des Moduls‘:
Welche fachlichen, methodischen, fachpraktischen und fächerübergreifenden Inhalte sollen vermittelt werden, welche Lernziele sollen erreicht werden? Welche Kompetenzen (fachbezogene, methodische, fachübergreifende Kompetenzen, Schlüsselqualifikationen) sollen erworben werden? Die Lern- und Qualifikationsziele sind an einer zu definierenden Gesamtqualifikation (angestrebter Abschluss) auszurichten.
Wir dürfen sicher gespannt sein, wie sich das im Falle Traunstein für ein Fach lesen wird, bei dem als Hauptziel für die Qualifikation die Fähigkeit genannt wird, die Prüfung vor dem Gesundheitsamt zu überstehen.
Genau dieser Prozess der Akkreditierung läuft nach den Angaben der Akademieleitung in der lokalen Presse (hier) derzeit für die Homöo-Akademie in Traunstein.
Steinbeis-Studienangebote der Alternativmedizin
Die Homöo-Akademie in Traunstein hat zwar einiges Interesse der Öffentlichkeit erregt, dies ist aber offenbar ausschließlich eine Folge der Begeisterung der lokalen Politiker, Traunstein zu einem Hochschulstandort zu machen. Wie Feuerwächter aufgezeigt hat, ist dies aber bereits in anderen Fällen mehr oder weniger geräuschlos über die Bühne gegangen. Wenn diese Studiengänge tatsächlich durchgeführt werden, dann müssten sie akkreditiert sein – und man müsste Informationen darüber in der Datenbank des Akkreditierungsrates finden. Die Hochschulrektorenkonferenz unterhält ebenfalls eine Datenbank, den Hochschulkompass, in der die staatlichen und staatlich anerkannten Hochschulen gelistet sind (hier), ebenso wie die akkreditierten Studiengänge (hier). Wenn eine Bildungseinrichtung Studiengänge anbietet und zum Abschluss einen akademischen Grad verleiht, dann müsste diese Bildungseinrichtung und der Studiengang in diesen Datenbanken verzeichnet sein.
Das Verzeichnis der an der SHB angebotenen Studiengänge (Link erloschen) beinhaltet verschiedene alternativ- und komplementärmedizinische Studiengänge, die zu einem Bachelor oder Master of Science führen sollen. Die Fachrichtung wird einheitlich als ‚Complementary Medicine and Management‘ bezeichnet, zu der in den verschiedenen Instituten unterschiedliche Vertiefungsrichtungen angeboten werden.
– Homöopathie
Am ‚Steinbeis-Transfer-Institut Akademie für komplementäre Medizin und Medizinpädagogik‘ mit Standort in Kitzingen (Bayern) wird die Vertiefungsrichtung Homöopathie angeboten. Auf der Webseite selbst findet man noch das Studienangebot zur Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) (Link, Edit 18.02.2017:Link zwischenzeitlich erloschen). Es wird angegeben, man habe nach der Immatrikulation den Status eines Studenten der SHB. Das dreijährige Studium zum Bachelor soll berufsbegleitend stattfinden. Man stelle sich vor: 5000 Stunden in drei Jahren neben der Berufstätigkeit. Zum Vergleich: ein Schichtarbeiter leistet in Deutschland rund 1500 Arbeitsstunden pro Jahr.
– Traditionelle Chinesische Medizin
An gleicher Adresse wie oben aber mit anderem Namen bietet das Steinbeis-Transfer-Institut Institute of Comlementary Medicine (INCOM) ein berufsbegleitendes Studium der Traditionellen Chinesischen Medizin an, das berufsbegleitend in drei Jahren zum Bachelor of Science führen soll. (Link). Auch hier wird die SHB als die eigentliche Hochschule bezeichnet (‚Unser Studiengang an der SHB …‘)
– Manual Medicine & Osteopathy
– Podologie
Diese Vertiefungsrichtungen werden am Standort München vom Steinbeis-Transfer-Institut Institut für körperbezogene Therapien angeboten. Man bezeichnet sich als selbstständiges Institut der SHB, das eigenständig duale Studiengänge entwickle (Link). Das Institut bietet Bachelor-Studiengänge in Osteopathie, Podologie, Komplementärtherapie und Physiotherapie an, darüber hinaus sogar Master Studiengänge in Osteopathie und Podologie. Bei der Komplementärtherapie handelt es sich offenbar um eine Zusammenfassung aus Atemtherapie, Kinesiologie, Shiatsu und TouchLife® Massage. Das Studium erfolgt offenbar berufsbegleitend.
– Osteopathische Manuelle Medizin
Diese Vertiefungsrichtung wird von dem Steinbeis-Transfer-Institut Klinische Anatomie am Standort Nagold (Baden Württemberg) angeboten, Abschlüsse als Bachelor und Master sollen möglich sein. Die Webseite ist nicht sehr informativ und scheint auch ein wenig veraltet zu sein. Das Studium erfolgt berufsbegleitend. [Edit 01.01.2019: Webseite wurde überarbeitet: Link]
– Asian Medicine
Am Standort Bad Homburg (Hessen) wird vom Steinbeis-Transfer-Institut Institut für Integrative und Transkulturelle Asiatische Medizin ein Masterstudiengang für Ärzte angeboten. Allerdings scheint dieses Angebot nicht mehr aktuell zu sein: Auf der Webseite (Link) wird als nächster Studienbeginn der März 2011 genannt, für den der Anmeldeschluss offenbar im Dezember 2010 erfolgt ist. Als Studienorte werden die SHB, die Universität Mainz, sowie Ausbildungsstätten in Bad Nauheim und Stuttgart genannt.
Eine Sichtung der oben genannten Datenbanken (Abruf: 17.12.2013) führt zu dem Ergebnis, dass an den Standorten
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Bad Homburg
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Kitzingen
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München
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Nagold
entweder keine privaten staatlich anerkannten Hochschulen verzeichnet sind, bzw., im Falle München, die verzeichneten Hochschulen keinen Bezug zur Medizin haben.
Da keine der genannten Hochschulen über eine Systemakkreditierung verfügt, müssen die Angaben der Datenbank zur Programmakkreditierung gesichtet werden. Bei verzweigten und umfangreichen Datenbanken kann das Ergebnis davon abhängen, wie man sucht, welche Suchstrategie angewendet wird. Daher wird mein Vorgehen bei der Suche hier eingehend beschrieben. Zunächst erfolgte eine Sichtung entsprechend den Angaben zu den Studienangeboten:
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Liegt für den fraglichen Standort ein passender Eintrag eines Studiengangs vor?
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Ist in dem Bundesland des Hochschulstandorts ein Studiengang ‚Complementary Medicine and Management‘ oder ‚Komplementärmedizin…‘ gelistet?
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Liegt in dem Bundesland des Hochschulstandorts ein zur Vertiefungsrichtung passender Eintrag vor, ggf. in deutscher oder englischer Bezeichnung?
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Betrachtet wurden jeweils die Optionen ‚grundständiges Studium‘ (Hochschulreife genügt) und ‚weiterführendes Studium‘.
Untersucht wurden
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Hessen (Bad Homburg) – Fehlanzeige
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Bayern (Kitzingen und München) – Fehlanzeige
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Baden Württemberg (Nagold) – Fehlanzeige
Mit der gleichen Suchstrategie wurden dann die Einträge für Berlin als dem Standort der SHB gesichtet. Ergebnis:
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Für die Steinbeis-Hochschule-Berlin sind als grundständige Studienrichtungen nur die Fachrichtungen ‚Allied Health‘, ‚Business Administration‘, ‚Cardiovascular Perfusion‘ und ‚Betriebswirtschaft – Business Administration‘ gelistet.
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Für die Steinbeis-Hochschule-Berlin sind als weiterführendes Studium nur Studiengänge aus den Bereichen ‚Business Administration‘ und ‚Management‘ gelistet.
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Keines der gelisteten Studienfächer, weder im grundständigen noch im weiterführenden Bereich, kommt auch nur in die Nähe der angebotenen Studiengänge zur Komplementärmedizin.
Abschließend wurden die im Hochschulkompass verzeichneten Studiengänge nach den Schlagwörtern ‚Complementary‘, ‚Komplementär‘, ‚Homöopathie‘, ‚Homeopathy‘, ‚TCM‘, ‚Traditional‘, ‚Traditionell‘, ‚Chinese‘, ‚Chinesisch‘, ‚Manual‘, ‚Manuell‘, ‚Osteopathie‘, ‚Osteopathy‘, ‚Podologie‘, ‚Podiatry‘ abgesucht und keine zu den obigen Studienangeboten passenden Einträge gefunden. Dass die Suche tatsächlich geeignet war, entsprechende Ergebnisse zu liefern, konnte anhand von einzelnen Einträgen, z. B. der Universität Frankfurt (Oder) oder der Fresenius-Hochschule in Idstein, verifiziert werden.
Also: Fehlanzeige auf der ganzen Linie. Eine staatliche Anerkennung der Standorte außerhalb der SHB selbst sowie eine Akkreditierung irgendeines der Studiengänge kann in den Datenbanken der Hochschulrektorenkonferenz und des Akkreditierungsrates nicht verifiziert werden.
Bevor man daraus die Schlussfolgerung zieht, bei diesen Studiengängen liege die erforderliche Akkreditierung nicht vor, ist zu fragen, ob es nicht andere Erklärungen für das Fehlen der Einträge geben könnte. Denkbar sind:
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Fehler in den Datenbanken, etwa weil diese die Konstellation Sitz der Hochschule in einem Bundesland, Studienort in einem anderen, nicht abbilden können
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die Einträge in den Datenbanken sind nicht aktuell
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meine Suchstrategie war trotz allen Aufwandes nicht geeignet
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die Studiengänge werden aktuell nicht mehr angeboten
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es greifen Ausnahme- und Übergangsregelungen, die mir nicht bekannt sind
Daher habe ich die SHB zeitgleich mit diesem Artikel um eine Stellungnahme und Klärung des Sachverhalts gebeten, Text hier. Diese wird dann in geeigneter Form in diese Darstellung eingepflegt.
Wenn sich allerdings tatsächlich bewahrheiten sollte, dass die SHB und die angeschlossenen Institute nicht berechtigt sein sollten, die akademischen Grade zu verleihen, könnte das sehr weitreichende Konsequenzen haben. Die Landeshochschulgesetze sehen da ja durchaus fühlbare Sanktionen vor, nicht nur für die Anbieter, sondern auch für die Absolventen, die den ihnen dann möglicherweise zu Unrecht verliehenen Titel führen. Inwieweit diese Anspruch auf Schadensersatz geltend machen könnten, sei dahingestellt.
Neues zur Situation in Traunstein
Traunstein ist im Aufbau begriffen, daher ist noch nicht zu erwarten, dass die entsprechenden Einträge in den Datenbanken vorliegen. Wenn man sich auch hier, ähnlich wie in Kitzingen, als ein ausgelagertes Institut der SHB sieht, dann würde deren staatliche Anerkennung auch für Traunstein gelten. In diesem Punkt könnten die Aussagen von Herrn Rentsch zutreffen, dass die staatliche Anerkennung kein größeres Problem sei. Es bleibt allerdings die Frage, ob eine Anerkennung für die Einrichtung in Berlin auch automatisch für ein eigenständig arbeitendes Institut in Bayern gilt, man denke beispielsweise an die Anforderungen an das Lehrpersonal. Wenn man in Berlin oder an anderer Stelle über eine große Zahl von hauptberuflichen Lehrkräften verfügt, sagt das nichts zu der Situation in Traunstein aus. Welches weitere Ergebnis der Akkreditierungsprozess allerdings bringt, bleibt abzuwarten.
Auf der Webseite hatten sich ein paar Änderungen ergeben:
Die Leiterin der Akademie hatte in der Tagespresse angekündigt, dass man das Lehrpersonal noch weiter aufstocken würde, man allerdings die Namen noch nicht nennen könnte, da die Verträge noch nicht unterschrieben seien. Dies scheint inzwischen erfolgt, der Lehrkörper hat sich zahlenmäßig wie angekündigt erweitert.
Die Qualifikation des Lehrpersonals stellt sich jetzt so dar:
– Akademische Leitung des Bachelor-Studiengangs: Dr. med.
– Akademieleitung: Heilpraktiker
– Fachbereich ‚Theorie und Praxis der Homöopathie‘
Leiter: Heilpraktiker
Dozenten:
– Facharzt ‚Grundlagen der Homöopathie‘
– Dr. med.’Theorie und Praxis der Homöopathie‘ und ‚Materia Medica‘
– Fachbereich ‚Materia Medica‘
Leiter: Dr. med.
Dozenten:
– Dr. med.’Theorie und Praxis der Homöopathie‘ und ‚Materia Medica‘ (wie oben)
– Fachbereich ‚Medizinische Propädeutik‘
1. Leiter: Heilpraktiker
2. Leiter: Heilpraktiker
Dozenten: drei Dr. med, ein Prof. Dr. med.
Die Zugänge des Lehrpersonals betreffen ausschließlich die Ebene der ‚Dozenten‘. Nach wie vor herrscht jedoch auf der Ebene der Fachbereichsleiter ein für eine Bildungseinrichtung mit Hochschulanspruch bemerkenswerter Mangel an Qualifikation.
Ein Gedanke am Rande:
Warum soll eigentlich der Lehrbetrieb schon im März aufgenommen werden, wie seitens der Akademieleitung angekündigt? Das macht doch eigentlich überhaupt keinen Sinn. Man wolle mit einem Einführungskurs für Abiturienten beginnen. Das sind dann notwendigerweise diejenigen Abiturienten, die zum Sommer 2013 ihr Abitur abgelegt haben und nun schon lange auf den Beginn des Studiums warten, der eigentlich zu diesem Wintersemester im Oktober hätte stattfinden sollen. Welchen Vorteil haben diese Studenten davon, im März zu beginnen? Eigentlich keinen, denn sie sollen später in den Jahrgang eingeschleust werden, der in 2014 Abitur machen wird und sein Studium im Wintersemester 2014 beginnen soll. Diese kommen auch nur mit der Abiturienten-Qualifikation an die Akademie. Das heißt, das Studium ab WS 2014 muss so aufgebaut sein, dass ein Abiturient ohne weitere Vorkenntnisse dieses erfolgreich absolvieren kann. Wozu braucht man dann einen Vorkurs? Wird langsam die Kapitaldecke dünner und man braucht die ersten Zahlungseingänge? Oder ist das der alte Trick der Gaststätten: Bringe dem Gast schnell etwas zu trinken, dann läuft er auch nicht weg, wenn er noch so lange auf sein Essen warten muss…
Was bleibt?
Warten wir auf die Reaktion der Steinbeis-Hochschule-Berlin.
Nachtrag (19.12.): Die Methodik, wie man einen ausführlichen Akkreditierungsbericht im Internet findet, wurde besser beschrieben, da der ursprüngliche einfache Link nicht funktioniert (Danke an Feuerwaechter für den Hinweis).
Auch die private „Dresden International University GmbH“ bietet Bachelor- und Masterstudiengang für den Bereich „Osteopathische Medizin“ an.
Obwohl sie auf ihrer Homepage bekannt gibt:
“ Die DIU hat auf Beschluss ihrer Leitungs- und Aufsichtsgremien das Projekt zur Akkreditierung aller DIU-Studiengänge begonnen. Im Mai 2009 wurde der Vertrag mit der Zentralen Evaluations- und Akkreditierungsagentur Hannover (ZEvA) abgeschlossen, welcher vorsieht, die Akkreditierung aller Studiengänge bis März 2010 durchzuführen.
…Mit der Akkreditierung der restlichen aktiven DIU-Studiengänge, u.a. Human Communication, Kultur + Management und Montageingenieur, endet das Projekt im März 2010.“
(Edit 06.01.2019: Link zwischenzeitlich erloschen)
ist das für die Osteopathie offensichtlich nicht der Fall.
Während bei anderen Studiengängen (Beispiel „Palliative Care) das Qualitätssiegel der Akkreditierung mit angegeben wird
(s.: http://www.di-uni.de/index.php?id=82)
fehlt es hier:
http://www.di-uni.de/index.php?id=52
Auch auf dieser Seite, die von verschiedenen Ministerien herausgegeben wird, wird eine Akkreditierung verneint:
(Edit 06.01.2019: Link zwischenzeitlich erloschen).
Der Abschluss allein berechtigt allerdings zu keiner entsprechenden Berufsausübung, worauf die Dresden International University selbst hinweist:
„Der Studienabschluss allein, begründet noch keine Berufszulassung.“
http://www.di-uni.de/index.php?id=458
Eine Berufszulassung als Osteopath gibt es in Deutschland auch nicht. Wer Arzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut, medizinischer Bademeister oder Masseur ist, kann sich in Osteopathie „weiterbilden“. Wie die Homöopathie zählt die Osteopathie zum Bereich der Pseudomedizin.
http://www.psiram.net/ge/index.php/Osteopathie
Hallo Herr Lammer,
vorab: Ich kann und will Ihnen keine verbindliche Auskunft geben, Sie müssen sich die Informationen selbst verschaffen, ich kann Ihnen aber einige Gesichtspunkte hierzu nennen.
Ich kann ebenfalls nicht beurteilen, ob Osteopathie eine ’seriöse‘ Therapieform ist. Soweit ich weiß, wird tatsächlich eine Behandlung durchgeführt, aber ob die die Wirkungen hat, die die Vertreter dieser Richtung ihr zuschreiben, entzieht sich meiner Beurteilung. Ähnliches gilt für die Qualität der Ausbildung, wie sie von diesem Institut in Nagold angeboten wird. Ich kann nicht beurteilen, ob die Inhalte sinnvoll und zutreffend sind, oder auch, ob sie in angemessener Form angeboten werden.
Ich kann Sie hier lediglich auf einige Besonderheiten des Hochschulrechts aufmerksam machen.
Wenn AVT Nagold einen Bachelor of science oder auch Master of science vergibt, dann muss diese Bildungseinrichtung staatlich anerkannt sein, und der Studiengang muss akkreditiert sein.
Die staatliche Anerkennung setzt voraus, dass für die Bildungseinrichtung vom Wissenschaftsrat eine institutionelle Akkreditierung vorliegt (wenn nicht, wie im Falle der SHB eine Ausnahmegenehmigung vorhanden ist). Damit wird geprüft, ob an der Biuldungseinrichtung Strukturen aufgebaut sind, dass sie den staatlichen Hochschulen gleichwertig sind. Dies bezieht sich zum Beispiel auf das Vorgehen bei der Berufung von Professoren. Ob für die Bildungseinrichtung eine solche institutionelle Akkreditierung vorliegt, können Sie auf der Webseite des Wissenschaftsrates in Erfahrung bringen:
http://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/Akkreditierungen.pdf
Der Studiengang selbst muss akkreditiert sein. Mit dieser Überprüfung wird sichergestellt, dass er den Anforderungen des Bologna-Prozesses genügt. Diese Akkreditierung braucht nicht vom Anfang des Ausbildungsbetriebes an vorzuliegen, muss aber zum Zeitpunkt, da die ersten akademischen Grade verliehen werden sollen, erteilt sein. Ist dies nicht der Fall, darf die Bildungseinrichtung keinen solchen Grad verleihen und der Absolvent darf ihn nicht führen.
Die akkreditierten Studiengänge sind im Hochschulkompass, der von der Hochschulrektorenkonferenz herausgegeben wird, verzeichnet. Link:
http://www.hochschulkompass.de/
Dort kann man in verschiedenen Suchmasken nach der Hochschule und nach dem Studiengang suchen. Wenn der Studiengang der AVT Nagold nicht enthalten ist, und danach sieht es aus, dann gibt es da ein Problem, besonders, wenn schon Absolventen die Ausbildung beendet haben.
Als letztes ist noch offen, ob ein Abschluss eines solchen Studiums alleine zum Ausüben einer Tätigkeit als ‚Osteopath‘ berechtigt. Hier fehlen mir die Informationen.
Ich hoffe das hilft Ihnen weiter.
Guten Tag Herr Aust,
in meinem Bemühen etwas über die Seriosität der SHB – insbesondere der B.Sc.- und M.Sc. Studiengänge in Osteopathischer Manueller Medizin (OMM) in Zusammenarbeit mit dem AVT Nagold als Transferinstitut – zu erfahren, bin ich auf Ihren Artikel gestoßen. Ich muss sagen, ein sehr ausführlicher und objektiver.
Über die Grundständige Osteopathie-Ausbildung in Nagold habe ich keine großen Zweifel, sie dürfte gut und die Qualität hoch sein. Jedoch weiß ich einfach zu wenig über die Anerkennung / Akkreditierung dieses B.Sc./M.Sc. OMM und klare Statements sind nur schwer zu erfahren. Was ich bislang herausgefunden habe, war eigentlich nicht negativ. Nur, in Ihrem Artikel lese ich nun, dass unter Umständen eine nachträgliche Titel-Aberkennung auf einen zukommen könnte, falls das mit der Akkreditierung nicht ganz “koscher” verläuft. Das macht mich natürlich nachdenklich. Ich sehe mich schon lange nach einer “akademischen” Osteopathen-Ausbildung um und bin eigentlich fast überzeugt, die Kombination AVT+SHB ist seriös. Hat sich denn die SHB auf Ihre direkte Anfrage hin irgendwie geäußert? Wissen Sie – oder irgend jemand sonst, der das hier lesen könnte – inzwischen Näheres? Ich bin nämlich kurz davor, mich beim AVT + SHB zu bewerben.
Danke für die Antwort
Freundliche Grüße
Paul Lammer
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Ich bin sehr gespannt auf die Antwort. Vielen Dank für die Mühe und die Hartnäckigkeit. 🙂 <3
Und wir warten gespannt auf die Antwort der SHB…