Homöopathisches Grippemittel Oscillococcinum: Studie von Papp (1998)

(Überarbeitet 15.2.2014)

Mit dieser Arbeit legt Papp eine zweite Studie zum homöopathischen Medikament Oscillococcinum vor, das von der Firma Boiron in Frankreich hergestellt wird und in Deutschland über das Internet und offenbar auch über die (oder zumindest einige)Apotheken bezogen werden kann [1]. Ziel dieser Studie war es, die Ergebnisse der Studie von Ferley zu replizieren [2], die bereits in meinem Buch Gegenstand der Betrachtung war. Dort wurde diese Studie als Beispiel dafür beschrieben, mit welchen Tricks man aus einem eigentlich missglückten Versuch doch noch ein positives Ergebnis gewinnen kann.

Bedeutung der Studie

Diese Studie ist in gleich zweifacher Hinsicht bedeutsam, wesentlich bedeutsamer als es dem eigentlichen Gegenstand der Untersuchung entspricht. Zum Einen ist die erfolgreiche Replikation eines Studienergebnisses in der an solchen Erfolgen nicht eben reichen Forschung zur Homöopathie schon eine kleine Sensation. Letztendlich ist es ja eine Kernforderung für ein wissenschaftliches Ergebnis, dass es jederzeit an jedem Ort wiederholt werden kann. Sollte dies hier tatsächlich gelungen sein, wäre die Studie geeignet, die vorhergehende Arbeit entsprechend aufzuwerten – und damit die Forschung zur Homöopathie insgesamt.

Der zweite Aspekt ist die Tatsache, dass diese Studie in das Endergebnis der im Jahr 2005 von Shang [3] veröffentlichten Metastudie eingeflossen ist. Wie vielleicht erinnerlich, hatte Shang diese Studie im Auftrag der Schweizer Gesundheitsbehörde angefertigt und dabei von 110 Studien zur Homöopathie nur acht, die den Ansprüchen an eine hohe Qualität und eine hohe Teilnehmerzahl genügten, in das Endergebnis mit einbezogen. Da Shang zu einem vernichtenden Urteil für die Homöopathie kam, löste dieses Vorgehen eine erhebliche Kontroverse aus, die bis heute andauert. Die Kritik gipfelte darin, dass man zu einem für die Homöopathie günstigeren Ergebnis gekommen wäre, wenn man die Kriterien nur etwas weiter gefasst und damit mehr Studien in das Endergebnis einbezogen hätte.

Von diesen acht Studien kamen fünf zu einer positiven Bewertung der Wirksamkeit des betrachteten homöopathischen Präparats. Eine solche Studie, die von Jacobs über kindliche Durchfallerkrankungen in Nepal, hatten wir hier schon untersucht und kamen zu dem Schluss, dass die positive Bewertung der Wirksamkeit nicht gerechtfertigt ist. Wie im Folgenden erkennbar wird, ist das auch für die Studie von Papp der Fall. Was dieses Ergebnis für die um Shangs Metaanalyse geführte Kontroverse bedeutet, braucht wohl nicht weiter dargestellt zu werden.

Oscillococcinum ist ein homöopathisches Präparat aus dem Extrakt von Leber und Herz einer bestimmten Entenart, das in der Potenz K200 angeboten wird. Dabei handelt es sich um eine Korsakoff-Potenz, die in Verdünnungsschritten 1:100 in einem speziellen vereinfachten Verfahren hergestellt wird. Sie entspricht somit einer Verdünnung von 1:10^400. Die letztere Zahl ist eine Eins mit 400 Nullen und mit keiner Anschauung der Welt plausibel zu machen. Die Anzahl der Atome im Universum beträgt nur etwa 10^80. Wenn auch nur eine einzige Ente je auf Erden verschieden wäre und sich ihr Herz und ihre Leber nach der Zersetzung im gesamten Wasservorrat der Erde verteilt hätte, entspräche das einer Verdünnung von vielleicht D23. Folge: K200 entsprechend D400 ist nicht herstellbar, weil man kein Wasser zur Verfügung haben kann, das hinreichend wenig (!) Entenleber enthält. Selbst wenn es im gesamten Universum nur ein einziges ‚Entenleberwirkstoffmolekül‘ gäbe, wäre dies nur eine Potenz von etwa K39 oder K40, je nach Größe dieses Moleküls.

Studienablauf

Zwischen November 1990 und Frühjahr 1991 wurden insgesamt 372 Patienten in mehreren deutschen Praxen von Ärzten der Allgemeinmedizin oder der Inneren Medizin zur Teilnahme gewonnen. Die Patienten waren zwischen 12 und 60 Jahre alt. Als erkrankt galt, wer eine Körpertemperatur von 38°C oder darüber aufwies und dazu unter einer für eine Grippe typischen Beschwerde litt, etwa Muskelschmerzen, Kopfschmerzen, Halsschmerzen etc.. Die Beschwerden durften noch keine 24 Stunden andauern (Man fragt sich: Wer geht eigentlich bei einer einfachen Erkältung schon nach 24 Stunden zum Arzt?). Durch eine ganze Reihe von Ausschlusskriterien sollte dafür gesorgt werden, dass das Ergebnis nicht durch unerwünschte Einflüsse verfälscht wird. So durften z. B. Patienten, die durch eine Schutzimpfung ganz oder teilweise immunisiert waren, nicht teilnehmen.

Die Patienten erhielten entweder das zu prüfende homöopathische Medikament oder ein nicht unterscheidbares Placebo. Es war sichergestellt, dass weder Patienten noch Ärzte wussten, welcher Patient zu welcher Gruppe gehörte. Die Patienten nahmen ihre Arznei drei Tage lang dreimal täglich ein, die erste Dosis noch während der ersten ärztlichen Konsultation.

Die Patienten führten während der fünftägigen Behandlungsphase ein Tagebuch, in dem sie zweimal täglich das Ergebnis der Fiebermessung und eine Bewertung ihrer Symptome eintrugen. Es musste für insgesamt neun grippetypische Symptome (Kopfweh, Schüttelfrost, Husten etc.) angegeben werden, wie heftig sie aufgetreten waren (gar nicht / leicht / mittel / heftig). Bereits nach zwei Tagen fand eine erneute Untersuchung des Patienten statt, etwa 7 bis 10 Tage nach Beginn führte der Arzt dann eine Abschlussuntersuchung durch und Besonderheiten wurden aufgezeichnet.

Ziel der Untersuchung war es, festzustellen, (1) wie sich der Zustand innerhalb der ersten 48 Stunden gebessert hatte und (2) wie lange der Patient zur Genesung benötigte. Als geheilt galt ein Patient, wenn kein Fieber mehr vorlag, das heißt, die Körpertemperatur weniger als 37,5°C betrug, Kopfschmerzen und Muskelschmerzen abgeklungen waren. Wir werden uns hier auf diese Hauptergebnisse beschränken.

Erstes Ergebnis: Anteil der Genesungen nach zwei Tagen

Von den ursprünglich 372 Patienten schieden 38 aus, da sie die Vorgaben der Studie nicht befolgten, schlussendlich erfolgte die Auswertung anhand von jeweils 167 Patienten in den beiden Gruppen, zusammen also 334 Patienten.

Es sei zunächst abgehandelt, warum hier ausgerechnet nach zwei Tagen gemessen wird, was in keiner Weise einen auch nur im mindesten besonderen Punkt im Krankheitsverlauf einer Erkältung darstellt. In Summe sind mit 17 % auch nur weniger als ein Fünftel aller Patienten zu diesem Zeitpunkt genesen. Dieses Ergebnis ist auf keine erkennbare Art und Weise als repräsentativ für den Krankheitsverlauf aller Patienten anzusehen. Vollends unverständlich ist diese Wahl vor allem auch deshalb, weil die Homöopathie ja gerade eine Therapie sein soll, deren Erfolg eher langfristig zu sehen ist.

Der Erhebungszeitpunkt nach 48 Stunden ist deshalb gewählt worden, weil auch Ferley in der vorausgehenden Untersuchung sein Hauptergebnis zu diesem Zeitpunkt ermittelt hatte. Warum hat er den Zeitpunkt nach zwei Tagen gewählt? Ganz einfach, genau zu diesem Zeitpunkt lagen in seiner Studie bei weitem die besten Kennzahlen vor, zu jedem anderen Zeitpunkt wäre sein Hauptergebnis (67 % bessere Heilung mit dem Homöopathikum als mit dem Placebo) nur noch weniger als halb so hoch gewesen, wäre im weiteren Verlauf der Studie auf nur noch wenige Prozent zusammengeschrumpft. Wir hatten damals schon sein geradezu unglaubliches Glück bewundert, vorab, bevor er die Ergebnisse kannte, in seiner Festlegung des Hauptergebnisses genau diesen Punkt getroffen zu haben. Jedenfalls hat er das so in seiner Veröffentlichung angegeben.

Nach zwei Tagen waren bei Papp bereits 19,2 % der Patienten in der Homöopathiegruppe geheilt und weitere 43,7 % hatten eine erhebliche Verbesserung des Zustandes zu verzeichnen. In der Placebogruppe waren nur 15,0 % der Patienten geheilt und nur weitere 33,5 % verzeichneten eine deutliche Verbesserung. Für die Heilung führen die Autoren eine Signifikanz von p = 0,0028 an, das Ergebnis sei also hoch signifikant (p << 0,03). Dazu wurde ein Krauth-Test angewendet.

Das muss man jetzt erst einmal verkraften. Hoch signifikant bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit dafür, dass man bei einem Versuch ein solches Ergebnis zufällig erhält, äußerst gering ist. Der p-Wert drückt diese Wahrscheinlichkeit aus, je niedriger desto unwahrscheinlicher das Ergebnis. Ein Wert von p unter 0,05 oder 0,03 wird als signifikant betrachtet. Dies unterschreitet der von den Autoren angegebene Zahlenwert von p = 0,0028 sehr deutlich. Soweit so gut.

Aber: Es ist nicht vorstellbar, dass jemand, der sich auch nur im Mindesten mit statistischen Auswertungen beschäftigt und ein gwisses Gespür für Zahlen hat, nicht merkt, dass der Unterschied zwischen 19,2 % und 15,0 % – das waren 32 bzw. 25 Patienten bei jeweils 167 Gruppenmitgliedern – kein so extrem signifikanter Unterschied sein kann, wie hier dargestellt. Mal gerade eben 7 Patienten beträgt der Unterschied. Und in der Tat, wenn man die Signifikanz nachrechnet, kommt man auf ein ganz anderes Ergebnis als die Autoren.

Im Detail:

Wenn man unvoreingenommen an das Studienergebnis herangeht, dann lässt sich dieses durch eine einfache Kreuztabelle darstellen, da es sich um eine einfache Gut-/Schlechtbewertung handelt:

 HomöopathiePlaceboSumme
geheilt322557
nicht geheilt135142277
Summe167167334

Bei solchen Daten liegt nichts näher, als für einen einfachen Signifikanztest den Chi-Quadrat-Test (‚Pearson-Test‘) zu verwenden, der trotz seines komplizierten Namens recht einfach anzuwenden ist und den man in wenigen Minuten mit einem Taschenrechner durchführen kann (Details siehe hier). Der von den Autoren verwendete Krauth-Test ist eigentlich auch nichts anderes, nur dass das Auszählen der Patienten nach einem formalen Schema erfolgt. Dies ist aber in der obigen Tabelle bereits geschehen.

Rechnet man die Signifikanz mit dem Pearson-Test nach, dann ergibt dies einen Wert von p = 0,31. Das heißt, die Wahrscheinlichkeit dafür, dass ein solches Ergebnis auftritt, liegt bei fast einem Drittel. Würde man mehrere Versuche machen, müsste man damit rechnen, dass jeder Dritte eine solche oder eine ungleichmäßigere Verteilung zeigt

Da ist gar nichts signifikant, bei Weitem nicht. Um diese zu erreichen, hätten mindestens 39 der 167 Patienten in der Homöopathiegruppe nach zwei Tagen geheilt sein müssen, Der Unterschied in den Patientenzahlen hätte immerhin doppelt so groß sein müssen wie er tatsächlich war.

Kann man das noch als mangelnde wissenschaftliche Sorgfalt werten, oder steckt Schlimmeres dahinter? Wie auch immer, auf jeden Fall ist das Ergebnis des Signifikanztests falsch, die hier ermittelten Daten sind noch um einiges weniger signifikant als die in der früheren Studie von Ferley genannten Werte. In diesem Punkt ist die Replikation gründlich misslungen.

Zweites Ergebnis: Genesungsdauer

Papp hat eindeutig die Dauer der Krankheit als das zweite zu betrachtende Ergebnis benannt. Ebenso eindeutig wurde als ‚genesen oder beschwerdefrei‘ definiert, dass die Körpertemperatur unter 37,5°C liegt und Kopf- und Muskelschmerzen abgeklungen sind.

Im weiteren Verlauf der Arbeit findet man eine Grafik, dort Fig. 2, die den zeitlichen Verlauf angibt, wie die Patienten ‚beschwerdefrei‘ wurden. Erstaunlich ist, dass die Grafik und auch der beschreibende Text für den Zeitpunkt ’nach zwei Tagen‘ ganz andere Werte enthält als die oben diskutierten Genesungszahlen ’nach 48 Stunden‘, die aus Tabelle 2 entnommen wurden. Während nach zwei Tagen 19,2 % der Patienten der Homöopathiegruppe ‚beschwerdefrei‘ waren, sind es am Abend des zweiten Tages nur 17,4 %. Bei der Placebogruppe sind es statt 15,0 % gar nur 6,6 %. Verstehe das, wer will. Offensichtlich haben die Autoren zwei verschiedene Definitionen von ‚beschwerdefrei‘ verwendet. Die oben genannte (weniger als 37,5°C, keine Kopf- oder Muskelschmerzen) und als zweite die Abwesenheit aller Symptome, die sonst noch ermittelt wurden, nämlich Husten, Schüttelfrost, rauer Hals etc.

Aus der Grafik Fig. 2, die hier aus Gründen des Copyrights nicht wiedergegeben werden kann, wurden die in der Tabelle zusammengestellten Daten herausgemessen, die den zeitlichen Verlauf der Genesung darstellen, wahrscheinlich allerdings mit durchaus eingeschränkter Genauigkeit.

ZeitHom.Plac.Se.Sign.
2m173200,001
2a2812400,007
3m4329720,063
3a5040900,218
4m80631430,060
4a98861840,187
5m1211102310,193
5a1231202440,712
>51331282610,508

Erklärungen:
2m, 3m …: am jeweiligen Tag morgens
2a, 3a …: am jeweiligen Tag abends
Hom., Plac.: Anzahl der geheilten Patienten in Placebo- und Homöopathiegruppe
Se.: Summe aus beiden
Sign.: Whrscheinlichkeit nach Pearson-Homogenitätstest

Anmerkung:
Die in der Arbeit veröffentlichte Grafik stellt für den Zeitpunkt der Nachuntersuchung (‚>5‘) eine Genesung in der Homöopathiegruppe von 100 % dar. Im Text hingegen werden 80,1 % genannt. Da sich die Autoren im weiteren Verlauf auf diese Zahl beziehen, wird sie auch hier verwendet – und die Schlussfolgerungen zur Sorgfalt, mit der die Veröffentlichung angefertigt wurde, darf jeder selber ziehen.

Man erkennt deutlich, dass die Placebogruppe sich tatsächlich langsamer erholt hat als die Patienten, die das homöopathische Mittel erhalten hatten. Papp gibt an, dass der Unterschied im Verlauf mit p = 0,023 im Krauth-Test ebenfalls signifikant sei. Nun, das ist schwierig nachzuvollziehen, da Papp sich mit der Darstellung des Rechengangs sehr zurückhält. Eigentlich ist völlig unklar, wie dieser Test überhaupt auf diese Daten angewendet werden kann. Ich bin jedenfalls nicht dahintergekommen.

Ersatzweise habe ich für jedes einzelne Ergebnis, das heißt die Anzahl der beschwerdefreien Patienten zu jedem gemessenen Zeitpunkt, einen Pearson Homogenitätstest ausgeführt. Die ermittelten Werte der Signifikanz können ebenfalls der Tabelle entnommen werden.

Wie man sieht, sind allenfalls die ersten beiden Ergebnisse als signifikant anzusehen. Das bedeutet: dass der Verlauf in der Gesamtbetrachtung als signifikant zu bewerten ist, trifft sehr wahrscheinlich nicht zu.

Vergegenwärtigen wir uns: Nach der gängigen homöopathischen Lehrmeinung ist die Homöopathie ein eher langfristig angelegtes Therapieverfahren, das im allgemeinen erst nach einiger Zeit wirkt. Hier wird aber gerade das umgekehrte Ergebnis vorgestellt: Kurz nach Beginn der Therapie scheint die Wirksamkeit des Mittels größer, wenn diesen Vorteil auch gerade nur 14 Patienten realisieren können, gerade mal etwas mehr als 8 % der Homöopathiegruppe. Aber am Ende, dann wenn sich eigentlich die Wirkung entfalten sollte, hat die Placebogruppe so weit aufgeholt, dass nur noch 5 Patienten einen Nutzen verzeichnen konnten (3 % der Homöopathiegruppe). Im Durchschnitt, über alle Messpunkte hinweg, haben nur 6,7 % der Homöopathiepatienten einen Nutzen erfahren. Rund 15 von 16 Patienten haben ihr Geld zum Fenster hinausgeworfen.

Selbst wenn man der Argumentation, es handle sich um ein reines Zufallsergebnis, nicht folgen will: Was erwartet man, wenn man ein Medikament kauft und anwendet? Ganz sicher doch, dass man eine faire Chance hat, eine bedeutsame Verbesserung seiner Situation zu erreichen. Sicher ist das, was man eine ‚faire Chance‘ nennt, nicht unbedingt ein fester Zahlenwert. Wenn es um eine häufig tödliche Krankheit ginge, wären Heilungsaussichten von 5 % sicher schon eine tolle Sache. Aber hier geht es im Wesentlichen um eine vergleichsweise geringe Störung der Befindlichkeit und nicht mehr. Da ist es sicher etwas wenig, dass über 90% der Patienten keinen Vorteil aus dem Medikament ziehen können.

Und wie groß wäre denn der Vorteil überhaupt? Dazu können aus dem in der Tabelle angegebenen Heilungsverlauf die Durchschnittswerte der Krankheitsdauer für beide Gruppen gebildet werden. Dabei wurden die Patienten, die im Verlauf der Studie gar nicht genesen sind, nicht einbezogen, da für sie keine Daten vorliegen und diese auch nicht seriös geschätzt werden können. Für die Patienten, die zum Zeitpunkt ‚>5‘ erst genesen waren, wird ein Mittelwert von 8,5 Tagen angenommen, den mittleren Wert des Untersuchungszeitpunkts von 7 bis 10 Tagen nach Therapiebeginn. Für die Homöopathiegruppe ergibt die Rechnung einen Wert von 4,08 Tagen, für die Placebogruppe von 4,33 Tagen. Der Vorteil bestand also aus einer um durchschnittlich nur 0,25 Tage entsprechend 6 Stunden früher eingetretenen Beschwerdefreiheit. Hoffentlich ist das nicht in der Nacht gewesen, denn dann hätten die Patienten ihren Vorteil glatt verschlafen können.

Überhaupt darf man sich getrost fragen, ob die 6 Stunden tatsächlich real sind. Bei den Patienten durften die Symptome höchstens 24 Stunden vor Beginn der Behandlung mit Oscillococcinum aufgetreten sein. Eigentlich müsste ja zur Bewertung die Krankheitsdauer ab deren Beginn angegeben werden – aber der liegt mit einer Unschärfe von 24 Stunden nur ungefähr fest. Im Vergleich dazu erscheint ein rechnerischer Vorteil von sechs Stunden nicht sehr aussagekräftig.

In diesem Teil scheint die frühere Studie von Ferley gut repliziert: auch dort war der Anteil der Patienten, die von der Einnahme des Mittels profitierten, recht gering – tatsächlich noch etwas geringer als hier – auch dort bestand der erreichte Vorteil im Schnitt aus einer um wenige Stunden verkürzten Krankheitsdauer. Insgesamt darf aber nicht übersehen werden, dass Papps Ergebnis wie das von Ferley höchstwahrscheinlich ein Zufallstreffer ist.

Interessanterweise trägt Boiron auf seiner Website dem Umstand Rechnung, dass man von der Einnahme von Oscillococcinum kaum einen Vorteil hat:

‚Gemäß homöopathischem Arzneimittelbild kann Oscillococcinum® zur Vorbeugung der Grippe, bei beginnendem grippalen Zustand sowie bei ausgebrochenem grippalen Zustand angewendet werden.‘

Was man mit der Anwendung erreichen kann, was einen dazu veranlassen sollte, wozu das alles gut sein soll – das wird nicht beschreiben. Der Hersteller weiß wohl, warum.

Zusammenfassung

Nach der bereits an anderer Stelle betrachteten Studie von Ferley legt Papp hiermit eine zweite Untersuchung zur Wirksamkeit von Oscillococcinum bei der Behandlung von grippalen Infekten vor. Das Ergebnis ist noch um einiges schlechter als in der früheren Studie:

  • Die Darstellung der Ergebnisse ist etwas verwirrend und widersprüchlich.
  • Das Ergebnis zum Heilungserfolg nach zwei Tagen ist noch weniger signifikant, also mit noch größerer Wahrscheinlichkeit rein zufällig
  • Selbst wenn man die mangelnde Signifikanz ignoriert, haben mehr als 90 % der Anwender keinen Nutzen davon
  • Der Nutzen selbst, eine durchschnittliche Verkürzung der Krankheit um etwa sechs Stunden, ist für den Einzelnen wohl kaum fühlbar.

Die positive Bewertung der Studie in der Metaanalyse von Schang beruht auf den Angaben von Papp zur Signifikanz, die aber rechnerisch nicht nachvollziehbar sind. Daher kann diese Studie nicht als Beleg für die Wirksamkeit von Oscillococcinum dienen.

Literatur

[1] Papp R, Schuback G, Beck E, Burkard G, Bengel J, Lehrl S, Belon P: Oscillococcinum® in patients with influenzy-like syndromes: A placebo-controlled double-blind evaluation‘ in: British Homeopathic Journal, 1998 Vol. 87, pp. 69-76. Link zum Abstract
(18.1.2015: Der frühere Link zum Volltext ist leider nicht mehr verfügbar.)

[2] Ferley JP, Tmirou D, D’Adhemar D, Balducci F: A Controlled Evaluation of a Homeopathic Preparation in the Treatment of Influenza-Like Syndromes‘ in: British Journal of Clinical Pharmacology 1989; 27: 329 – 335, Link zum Volltext

[3] Shang A, Huwiler-Müntener K, Nartey M, Jüni O, Dörig S, Sterne JA, Pewsner D, Egger M. Are the clinical effects of homoeopathy placebo effects? Comparative study of placebo-controlled trials of homoeopathy and allopathy. Lancet 2005: 336: 726­32. Link zum Volltext

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16 Antworten zu Homöopathisches Grippemittel Oscillococcinum: Studie von Papp (1998)

  1. Globuliskeptiker sagt:

    Dieser Test ist vom Aufbau her schon falsch. Die Messungen zu besagten Zeiten treffen die Fragestellung nach Wirksamkeit nicht.
    Bei der Frage nach Wirksamkeit benötige ich auch 2 Probanden Gruppen, allerdings mit einer anderen Einnahmezeit und anderen Messpunkten.
    Die Wirksamkeit der Globuli zeigt sich erst nach längerer niedrig dosierter Einnahme dadurch, dass keine Grippe mehr Auftritt.

  2. Ute Parsch sagt:

    Mathie RT, Frye J, Fisher P.
    Homeopathic Oscillococcinum® for preventing and treating influenza and influenza-like illness.
    Cochrane Database of Systematic Reviews 2012, Issue 12. Art. No.: CD001957. DOI: 10.1002/14651858.CD001957.pub5

    Woher ich das weiß? 😉 Weil die alte Version der CS-Webseite auch bei diesem Thema noch viel, viel mehr Interessantes über die Studie sagt, als die aktuelle Version. Die ist fast überall „entschärft“.

    Im Moment zumindest lohnt sich der Blick auf die bisherige Version, endem man das „www“ durch ein „archiv“ ersetzt, also hier:

    http://archiv.carstens-stiftung.de/artikel/unter-die-lupe-genommen-oscillococcinum-bei-grippalen-infekten.html

    Und schon wird die Einschätzung niederschmetternd:

    „Einschätzung
    Mit dieser Arbeit liegt eine sorgfältige Analyse der Studienlage zu Oscillococcinum® vor. Die Autoren stellen deutlich dar, dass auf Grund der schlechten Qualität aller Studien, die postulierten positiven Wirkungen von Oscillococcinum® keine zuverlässige Grundlage haben. Derzeit muss es zweifelhaft angesehen werden, dass Oscillococcinum® bei grippalen Effekten über Placeboeffekte hinaus wirkt.“

    Und außerdem kann man die Arbeit UND den Carstens-Link natürlich auch auf der Homöopedia nachschlagen… 😉

    http://www.homöopedia.eu/index.php/Artikel:Oscillococcinum#cite_ref-19

  3. Norbert Aust sagt:

    Interessanter Link dazu von der Carstens-Stiftung:
    https://www.carstens-stiftung.de/artikel/unter-die-lupe-genommen-oscillococcinum-bei-grippalen-infekten.html

    (Quelle und Datum der Veröffentlichung leider unbekannt)

  4. Norbert Aust sagt:

    „Tatsache für mich ist, daß dieses Mittel jedes mal hilft“
    Eben nicht „Tatsache“, sondern „Überzeugung“. Die Tatsachen sind das, was aus den mit wissenschaftlichen Methoiden durchgeführten Studien erkennbar wird.

  5. elisabeth H sagt:

    Die Studien sind alle sehr beeindruckend und enthalten viele Zahlen.
    Tatsache für mich ist, daß dieses Mittel jedes mal hilft, die Symptome eine Grippe binnen weniger Stunden zum Schweigen zu bringen. Leider ein bißchen teuer. Placebowirkung oder nicht, seit 20 Jahren sind die Globuli in unserem Medizinschrank und sind für meine Familie eine wertvolle Unterstützung virale Infekte abzuwehren.

  6. Norbert Aust sagt:

    @I.Helbig

    Mir ist nicht ganz klar, was Sie ausdrücken möchten. Ist das ironisch zu verstehen oder als ein Widerspruch zur hier angesprochenen fehlenden Wirkung des Mittels?

    Falls Letzteres zutrifft:
    – Was wäre passiert, wenn Sie das Mittel nicht genommen hätten? Hätte der Infekt dann länger gedauert? Wenn Sie das mit ‚Ja‘ beantworten sollten, dann gleich die nächste Frage: Woher wissen Sie das?

    Zur Anmerkung:
    Auch ich kenne derartig schwere Erkältungsattacken, auch bei mir ist das Meiste nach zwei bis drei Tagen überstanden – ohne irgendein Mittel zu nehmen, schon gar kein homöopathisches.

  7. I.Helbig sagt:

    Ich habe nach einem heftigen grippalen Infekt , heftige Halsschmerzen, Schnupfen der nicht aufhören wollte zu laufen, das Mittel 3 TAGE eingenommen und bin heute beschwerdefrei ,keinen Schnupfen und keine Halsschmerzen mehr ich bin sprac hlos. Gruß M

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  9. Pingback: Homöopathie in der HuffPost – und eine Sammelklage gegen Kinder-Homöopathie @ gwup | die skeptiker

  10. Norbert Aust sagt:

    @ Lothar Brunke

    Grundsätzlich gilt auch hier meine Antwort zu Ihrem Kommentar auf diesen Beitrag, sinngemäß hier für die Beurteilung von Krankheitsverläufen oder gesundheitlichen Vor-und Nachteilen.

    Sie schrieben:
    „Die Schlussfolgerung der Skeptiker, dass Homöopathie nicht wirkt ist aus diesem Versuch nicht zu entnehmen, sie hat hier sogar im unerwünschten Sinne gewirkt.“
    Diese Schlussfolgerung, die Sie hier unterstellen, wäre falsch. Es wurde lediglich gezeigt, wobei ich mich freue, dass wir uns hier einig sind, dass diese Studie nicht als Nachweis für die Wirkung von Oscillococcinum taugt. Lediglich der Nachweis der Wirksamkeit wird in Abrede gestellt, es wurde kein Nachweis für eine Nicht-Wirksamkeit geführt, wobei ich allerdings bezweifle, ob dies überhaupt möglich ist.

  11. Wenn ich eine placebokontrollierte Studie homöopathisches Mittel versus Placebo durchführen möchte, muss ich zu allererst eine Versuchsanordnung treffen, die objektive Parameter misst.
    Da ist bei dem Grippemittel Oscillococcinum nicht der Fall.
    Ein Patient, der einen Tag Grippesymptome entwickelt muss nicht zwangsläufig eine Grippe haben und kann am nächsten Tag bereits von allein gesund sein.
    Da hier keinerlei objektive Parameter der Studie zu grunde gelegt wurden, kann das Ergebnis suggestiv beeinflusst worden sein.
    Eine derartige suggestive Placebostudie erfordert regelmäßig eine dritte Gruppe von nicht Placebo geprüften Patienten. In dieser Gruppe lässt sich der Spontanverlauf einer Erkrankung erkennen. Allein der Hinweis auf ein mögliches Placebo in der Placebogruppe kann bereits den Glauben an die Heilung auslösen und das Ergebnis beeinflussen. Die Probanden sollten nicht wissen, ob sie überhaupt behandelt werden, was mit homöopathischen Mitteln möglich ist.
    Die nächste Frage ist, was soll hier eigentlich gemessen werden?
    Wie schnell der Patient symptomfrei ist?
    Das wäre im alternativmedizinischen Sinne nicht gesund, sondern krank machen.
    Der menschliche Organismus benötigt den fieberhaften Infekt zur Aufrechterhaltung des Abwehrsystems. Für alternativmedizinische Behandlung gilt deshalb als Faustregel, dass erst nach drei Tagen oder bei Temperaturen über 39 Grad homöopathische behandelt wird. Hilfsmittel zur Erleichterung der Symptome sind erlaubt, wie Dampfbäder oder lauwarme Wadenwickel.
    Es spricht darüber hinaus gegen diesen Versuch, dass für das Mittel Oscillococcinum keine Arzneimittelprüfungen durchgeführt wurden. Sein Einsatz ist also rein spekulativ und hat mit Hahnemann´scher Homöopathie nichts zu tun.
    Ich fasse zusammen:
    – kein valider Versuchsaufbau
    – kein theoretischer Überbau, der die Prüfung von Oscillococcinum gegen Placebo rechtfertigen würde,
    – kein medizinisches Fundament aus der Alternativmedizin
    Es wurde demzufolge nicht der Beweis geführt, dass Homöopathie ein bestimmtes Ergebnis mit Oscillococcinum erzielt, sondern es wurde Beweis geführt, dass einige Patienten zu einem früheren Zeitpunkt weniger Symptome angaben, also im homöopathischen und alternativmedizinischen Sinne weniger gesund geworden sind. Das ist das Gegenteil von Heilung.
    Die Schlussfolgerung der Skeptiker, dass Homöopathie nicht wirkt ist aus diesem Versuch nicht zu entnehmen, sie hat hier sogar im unerwünschten Sinne gewirkt.
    Wie hätte der Versuch richtig aussehen sollen?
    Zuerst wäre eine Arzneimittelprüfung des Oscillococcinum mit C30 oder D30 erforderlich.
    Dann sollten drei Gruppen gebildet werden: Verum, Placebo, Leergruppe und ggf. vierte Gruppe mit der Verabreichung von Paracetamol
    Dann kommt die Definition des Behandlungsziels:
    Behandlungsziel sollte sein, dass ein Infekt nicht länger als zwei Wochen andauert und nicht mehrmals als drei mal pro Jahr auftritt.
    Dafür war der Zeitrahmen der Studien bereits zu kurz bemessen.
    Die oben angeführte Krankheitsdauer von Tagen bis Wochen ist, wie ausgeführt, ungeeignet eine valide Aussage zu erhalten.
    Dann sollte der Behandlungsverlauf der drei Gruppen, die alle drei nicht wissen dürfen, ob sie behandelt werden über diesen Zeitraum erhoben und ausgewertet werden.
    Im Ergebnis könnte das noch mit einer vierten Gruppe unter schulmedizinischer Behandlung mit Paracetamol verglichen werden.
    Dann hätte ich nach einem Jahr eine aussagekräftige Studie zu einem homöopathischen Grippemittel gegen Placebo, keinerlei Einflussnahme und Paracetamol.
    So sollte homöopathische Placeboforschung aussehen.

  12. Pingback: “Wo ist der Beweis?”: Verlässliche Informationen gegen haltlose Versprechen @ gwup | die skeptiker

  13. Mein obiger Kommentar ist irgendwie entstellt angekommen, aber ich glaube, es ist klar, worum es geht…

    Ich denke, eine relativ große Studie wie diese wäre auch veröffentlicht worden, wenn sie korrekt als nicht signifikant im Hauptzielkriterium erkannt worden wäre. Es sind doch eher die kleinen negativen Studien, die gerne schubladisiert werden. Und wenn sie publiziert worden wäre, wäre sie auch in der Metaanalyse verwendet worden, denn diese hat ja nicht nach „positiv“ oder „negativ“ selektiert.

    Ich sehe zwei Möglichkeiten für das angeblich signifikant positive Ergebnis: Entweder (i) die Autoren haben die Zahlen zum Zeitpunkt 2a (29 vs. 11, etwas anders als in Ihrer Tabelle, das ergibt sich aus den angegebenen Prozentwerten) verwendet, was im Vierfeldertest p = 0,002 ergibt. Oder (ii) sie haben die Zahlen nach 48 Std. genommen, aber nicht nur die für „no symptoms“ (wie in der Nullhypothese definiert), sondern die für „no symptoms“ und „clear improvement“ zusammen. Das wären 105 vs. 81 und ergibt im Vierfeldertest p = 0,008. Zu dieser zweiten Variante würde auch passen, dass der letzte Satz vor „Probability by the Krauth test: P = 0.0028.“ lautet: „The data show a clear improvement in health in the verum group.“ (Diese Variante entspricht auch dem OR, das in die Shang-Metaanalyse eingeflossen ist, was aber natürlich nicht den Studienautoren zuzurechnen ist.)

    Eine weitere Obskurität der Studie ist, dass im Abstract als p-Wert für den Unterschied nach 48 Stunden 0,023 angegeben wird, was im Haupttext aber als p-Wert für die „Dauer der Symptome“ aufscheint. Außerdem behauptet das Abstract, effectiveness sei definiert worden als „statistically significant greater decrease in symptoms after 48 hours or …“, während im Haupttext von „no symptoms after 48 hours“ die Rede ist. Das ist ein entscheidender Unterschied.

    Zusammengefasst sieht das alles jedenfalls wie schon bei Ferley nach einer post-hoc-Kriterienselektion aus, die noch dazu äußerst schlampig umgesetzt wurde.

  14. Norbert Aust sagt:

    Jein, ich glaube schon, dass die Signifikanz Einfluss auf Shangs Ergebnis genommen hätte, wenn sie korrekt beziffert worden wäre.
    Richtig ist natürlich, dass aus dieser Studie nur das Quotenverhältnis (‚odds ratio‘) in die Bewertung eingeflossen ist und nicht die Signifikanz. Ich glaube allerdings nicht, dass diese Studie überhaupt in der Metaanalyse verwendet worden wäre, wenn man das Ergebnis als (bei Weitem) nicht signifikant erkannt hätte. Vielleicht wäre die Arbeit vor 15 Jahren sogar noch nicht einmal veröffentlicht worden. Meines Wissens ist es noch nicht so lange her, dass sich die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass auch Arbeiten veröffentlicht werden sollten, die keine signifikanten Ergebnisse beinhalten, um dem Publication Bias entgegenzuwirken.

  15. Sehr interessant, danke! Eine Anmerkung:

    Das ist nicht ganz korrekt. In die Metaanalyse von Shang floss das odds ratio ein, das hier mit OR = 0,56 angegeben ist, beruhend auf den Zahlen der nach 48 Stunden „no symptoms“ oder „clearly improved“ Patienten in den beiden Gruppen. Auf das Ergebnis der Metaanalyse hat der falsche p-Wert also keinen Einfluss.

  16. Ute Parsch sagt:

    Wie immer eine sehr aufschlussreiche Analyse! Danke dafür.

    Eine kleine Ergänzung habe ich noch zum Oscillococcinum: Obwohl ein häufig verkauftes Präparat, müssten sich eigentlich Homöopathen selbst fragen, warum sie es anwenden, denn es entspricht nicht wirklich dem Ähnlichkeitsprinzip:

    Auf Pharmawiki erfährt man zur Erfindung von Oscillococcinum:

    „“Das Mittel wurde nach dem 1. Weltkrieg vom französischen Arzt Joseph Roy erfunden. Er glaubte im Blut von Grippetoten sogenannte Oscillokokken entdeckt zu haben, die aus zwei Kugeln bestanden und rasch vibrierten. Die Existenz dieser Bakterien konnte später jedoch nie belegt werden. Was genau Roy unter dem Mikroskop sah, ist unbekannt – die Grippe wird bekanntlich von Influenzaviren verursacht, die im Lichtmikroskop unsichtbar bleiben.““

    Roy beobachtete ähnliche „zitternde Kügelchen“ (daher auch der Name des Präparates) auch in anderen Proben, unter anderen in einer Tinktur von Entenleber. Er entwickelte sein Grippemittel also in der Annahme, dass die beobachteten zitternden Kügelchen erstens Grippe verursachen und zweitens auch in Entenleber vorhanden sind. Wir wissen heute, dass beides falsch ist. Roy kann unmöglich Grippeviren beobachtet haben, diese sind viel zu klein, um im herkömmlichen Mikroskop sichtbar zu sein. Und selbstverständlich enthält Entenleber keine Grippeviren.

    Sehr wahrscheinlich hat Roy winzigste Luftbläschen in seinen Tinkturen unter dem Mikroskop gesehen, deren zitternde Bewegungen durch die Brownsche Molekularbewegung hervorgerufen werden. Luftbläschen lösen aber keineswegs Grippe aus. Demnach enthält selbst die Ursubstanz nichts, was ähnliche Symptome wie bei einer Grippe hervorrufen würde – weshalb auch aus Sicht der Homöopathie keine Wirkung von Oscillococcinum bei Grippe zu erwarten wäre.

    Viele Grüße

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